Dazu haben wir bei Bernd Vogl nachgefragt, dem Abteilungsleiter der Energieplanung der Stadt Wien.
Viele Installateure befürchten ein komplettes Aus für Gasthermen. Soll das Aus die Gasthermen oder die Verwendung von fossilem Gas betreffen?
Mag. Bernd Vogl: In erster Linie geht es um fossiles Gas, aber auch die Anwendung von Gasthermen wird räumlich beschränkt werden. Die verbleibenden Gasthermen werden mit Gas aus erneuerbaren Quellen – grünem Gas – betrieben werden. Ich kann daher verstehen, dass sich die Branche Gedanken macht, und das ist auch gut so, denn es kommen große Veränderungen auf uns zu. Trotz aller technologischen Veränderungen wird es weiterhin das Bedürfnis nach beheizten und immer mehr auch nach gekühlten oder temperierten Wohnungen geben und damit ein breites Geschäftsfeld für Ihre Branche. Wie in dem Business-Bestseller „Die Mäusestrategie“ von Johnson Spencer geht nur der alte Käse in Form von fossil betriebenen Gasthermen und Gaskesseln langsam aus. Man muss sich also auf den Weg machen und sich neue Angebote überlegen. Die Veränderungen passieren nicht von heute auf morgen. Die Klimaschutzgebiete betreffen derzeit ausschließlich Neubauten und beziehen sich auf den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Gasthermen in Bestandsgebäuden sind davon nicht betroffen. Aber auch hier wird es, langfristig gesehen, zu einem Systemwandel kommen müssen. Um die Klimaschutzziele der Bundesregierung umzusetzen, muss auch bei Bestandsgebäuden ein Ausstieg aus fossilem Gas gelingen. Ein wichtiger Baustein der künftigen Energieversorgung ist die Nutzung von Wärmepumpen. Bei der Montage und Wartung dieser Systeme braucht es auch in Zukunft qualifizierte Fachkräfte wie eben Installateurinnen und Installateure. Ich rate den Fachleuten auf diesem Gebiet deshalb: Gehen Sie davon aus, dass sich der Markt innerhalb einer Generation komplett in Richtung erneuerbare Energien verschieben wird – mit fantastischen neuen Lösungen und Chancen!
Welche Bezirke oder Bereiche in Wien wird das betreffen?
Vogl: Grundsätzlich wird es in ganz Wien Gebiete geben, für die diese Regelungen gelten werden. Die Klimaschutzgebiete werden für alle Bezirke einzeln ausgearbeitet und nach der öffentlichen Auflage vom Wiener Gemeinderat behandelt. Die ersten Klimaschutzgebiete wurden Ende Juni 2020 für die Bezirke 2, 7 und 16 beschlossen. Bis Mitte 2021 folgen schrittweise die restlichen 20 Bezirke.
Welche anderen Bundesländer sind betroffen?
Vogl: Die Klimaschutzgebiete gelten nur für Wien. Die Wiener Bauordnung (§ 2b Abs 2 Wr BO) ermöglicht die Festlegung von Energieraumplänen, und das ist die Grundlage für die Klimaschutzgebiete.
Stichwort: Versorgungssicherheit – warum wird nicht Green Gas in die bestehenden Leitungen eingespeist und so die Nutzungsmöglichkeit einer zusätzlichen Energiequelle aufrechterhalten?
Vogl: Die Klimaschutzgebiete sollen die Doppelgleisigkeiten verringern. Das bedeutet, dass eine doppelte Leitungsinfrastruktur, wie wir sie heute vielerorts in Wien haben, mit Fernwärme- und Gasnetzen künftig effizienter gestaltet wird. Zu ihrem Stichwort: Versorgungssicherheit – diese bieten vor allem Effizienzmaßnahmen, die unnötigen Energieverbrauch vermeiden, und jene Energien, die gleich vor Ort gewonnen werden können. Denken sie an Umgebungswärme und Energie aus der Sonne. Gut geplante moderne Gebäude erreichen heute Eigenversorgungsgrade von 90-95 Prozent. Der restliche Strom, der für die Wärmepumpen benötigt wird, kommt vorrangig aus Windenergie aus der Region.
Was Green Gas betrifft: Allen Einschätzungen nach wird es auch künftig begrenzt verfügbar sein. Daher ist ein effizienter Einsatz nötig. Vor allem im Bereich der Industrie für beispielsweise Hochtemperatur-Prozesse und in der Kraft-Wärme-Koppelung kann grünes Gas eine wichtige Rolle spielen. Zusätzlich gehen wir davon aus, dass auch gewisse Stadtteile der Bestandsstadt in Zukunft mit grünem Gas beheizt werden. Wie hier die genaue Aufteilung aussehen wird, ist eine Frage der zukünftigen Rahmenbedingungen und der Ökonomie.
Man hört in der Branche, dass es zahlreiche Einsprüche gegen die Energieraumpläne gab, da dies rechtlich auf wackeligen Beinen steht bzw. die Rechtsgrundlage dafür auf europäischer Ebene nicht ordnungsgemäß notifiziert wurde. Auf welcher Rechtsbasis wurden die Energieraumpläne durchgesetzt?
Vogl: Ganz im Gegenteil. Die Europäische Kommission hat die Vorgangsweise der Stadt Wien mittels Notifizierung bestätigt. Weder von Seiten der Europäischen Kommission noch von anderen Mitgliedstaaten oder von Unternehmen kamen Einwände. Ich sehe das Ergebnis des Notifikationsverfahrens als Präjudiz für weitere klimaschutzrelevante Maßnahmen. Es zeigt, dass Klimaschutz über dem Schutz des Binnenmarktes für fossile Heizungen steht. Städte und Länder haben nun Rückenwind, um in ihrem Zuständigkeitsbereich ähnliche Regelungen zu treffen.
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