Tatsächlich hat sich im Bereich der Haustechnik in den letzten Monaten viel getan. Unter anderem wurde im April 2019 die ÖNORM B 2531 überarbeitet, im März 2020 folgte die Neuauflage der ÖNORM B 5019 und im August 2020 ist schließlich ihr Pendant für dezentrale Trinkwasser-Erwärmungsanlagen – die ÖNORM B 5021 – als gültige Norm erschienen. Dies schafft zwar mitunter neue Vorgaben, führt jedoch auch zu mehr Rechtssicherheit für die Anwender. Besonders die ÖNORM B 5021 wurde von vielen Seiten kritisch beäugt. Nicht ohne Grund, wurden doch die fehlenden Vorgaben häufig als Argument für die Errichtung dezentraler Systeme dargestellt. Existieren keine normativen Vorgaben, so darf allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass diese ohne Beachtung technischer Vorgaben errichtet und wartungsfrei betrieben werden können. Dann ist es die Aufgabe jedes Planers und Errichters, eine technisch einwandfreie und sichere Anlage bereitzustellen, und die jedes Betreibers, auch ohne normative Vorgaben für die Verkehrssicherheit seiner Anlage zu sorgen. Früher wurden dezentrale Anlagen tatsächlich noch als unbedenklich angesehen, doch schon seit einigen Jahren ist bekannt, dass es auch in diesen Systemen zu einer mikrobiellen Vermehrung kommen kann. In seinen Entscheidungen hält der Oberste Gerichtshof (OGH) unmissverständlich fest: „Jeden, der eine Anlage dem Zutritt eines Personenkreises öffnet, trifft eine Verkehrssicherungspflicht. Er muss die Anlage für die Benützer in sicherem und gefahr-losem Zustand erhalten und diese vor Gefahren schützen.“ Da von hygienisch mangelhaften Systemen eine Gefahr für die Gesundheit der Nutzerinnen und Nutzer ausgehen kann, stehen diese eindeutig im Widerspruch zu den Forderungen des OGH. Für zentrale Trinkwasser-Erwärmungsanlagen gibt die ÖNORM B 5019 umfassende Hilfestellung für den hygienisch sicheren Betrieb und damit zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht. Fehlen Vorgaben aus Normen, Richtlinien oder etablierter Fachliteratur, ist der Aufwand ungleich höher und die Verantwortung im Schadensfall wesentlich größer. Landet ein Fall schließlich vor Gericht, so wird der anzuwendende Stand der Technik von einem Sachverständigen im Nachhinein festgestellt. Gibt es hingegen normative Vorgaben und wurden diese zusammen mit den Herstellervorgaben eingehalten, so geht die Rechtsprechung davon aus, dass damit die Vorgaben nach dem etablierten Stand der Technik berücksichtigt wurden. Die ÖNORM B 5021 wurde am 15. Februar 2020 erstmals als Entwurf zur öffentlichen Stellungnahme aufgelegt, seit 1. August 2020 ist sie als gültige Norm erschienen. Was bedeutet dies für Schadensfälle, die durch hygienische Mängel vor dem 1. August verursacht wurden? Ab dem 15. Februar 2020 wird das Gericht den Entwurf der ÖNORM B 5021 heranziehen, denn bereits dieser ist als veröffentlichter Stand der Technik anzusehen. Zudem sind im Zuge des Stellungnahmeverfahrens keine grundlegenden Änderungen eingebracht worden. Bei weiter zurückliegenden Fällen werden Betriebskontrollen und Wartungsarbeiten im Mittelpunkt des Interesses stehen, denn diese sind schon längst anerkannte Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb. Darüber hinaus ist es mitunter naheliegend, auch für dezentrale Anlagen allgemein gehaltene Teile der ÖNORM B 5019 für Betriebsführung, Monitoring und Sanierung als vor dem 15. Februar 2020 bekannten Stand der Technik anzusehen. Durch die zahlreichen Gemeinsamkeiten zur ÖNORM B 5021 wird dies kaum strittig sein.
Fazit: Auch wenn der Aufwand für Betriebskontrollen nun im Vergleich zu zentralen Anlagen tendenziell höher ist, erleichtert es die ÖNORM B 5021 den Betreibern von dezentralen Trinkwasser-Erwärmungsanlagen, sich rechtlich abzusichern. Die Zeit der Grauzone für den Betrieb von dezentralen Anlagen ist damit endgültig Geschichte.
Normenfluch oder Normensegen?
Geht es um das Thema Normen, kommt vielen sofort das Wort „Normen-Dschungel“ über die Lippen: „Sie sind doch viel zu kompliziert und überhaupt – es gibt viel zu viele davon!“ Auf der anderen Seite sehen wir es als selbstverständlich an, dass wichtige Dinge des täglichen Lebens miteinander kompatibel sind. Voraussetzung dafür sind etablierte Standards ...
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