1-2/2021

Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen?

Quelle: my-PV
Prinzipschema des solarelektrischen Hauses
Quelle: my-PV

Mit Strom zu heizen, galt in den letzten Jahrzenten als unwirtschaftlich und klimaschädlich. Ist die Stromheizung daher ein längst überholtes Auslaufmodell oder befindet sich diese Technologie am Beginn des solarelektrischen Zeitalters nun in einer Renaissance? Dieser Artikel wirft einen Blick auf alle drei Zeitabschnitte der Elektroheizung.

von: Reinhard Hofstätter MSc

Vergangenheit
Das schlechte Image elektrischer Direktheizsysteme stammt vor allem aus der Zeit der Nachtspeicheröfen. In den 50er und 60er Jahren wurde schmutziger Kohlestrom nachts verheizt, weil die Großkraftwerke nicht runtergefahren werden konnten. Nachtspeicherheizungen sorgten rund um die Uhr für eine umfassende Auslastung. Entsprechend wurden damals sogar Förderprogramme für Speicherheizungen und Nachtstrom zum günstigen Tarif aufgelegt. Der Speicher erwärmte sich unbemerkt während der Schlafenszeit und gab tagsüber die gespeicherte Wärme langsam wieder ab. Die schadstoffintensive Energieerzeugung lag nun außerhalb der Städte und vor Ort erfreute man sich in weiterer Folge über die verminderte Staub- und Geruchsbelastung. Zudem war fortan auch kein Lagerraum für Brennstoff mehr nötig.
Zu einem ersten Rückgang der Nachtspeicher kam es im Zuge der beiden Ölkrisen in den 70er Jahren. Aufgrund der verkürzten Umwandlungskette vom Primärenergieträger zur Wärme gewannen fossil betriebene Zentralheizungen durch die damit verbundene Effizienzsteigerung an Attraktivität. Mit der Kernkraft gelang es zwischenzeitlich zwar, die Herkunft des Stroms als vermeintlich „saubere“ Energie zu deklarieren, spätestens seit dem Jahr 1986 ist man in weiten Teilen Europas zum Glück aber auch von dieser Illusion befreit.
Unabhängig von seiner Herkunft wurde der Strom für Elektroheizungen damals, ohne der Hinzugabe von Umweltenergie vor Ort, in der Kundenanlage nur 1:1 in Wärme umgesetzt. Dieses Faktum sowie der zunehmende Anteil an erneuerbarer Energie im öffentlichen Netz stellt heute den Unterschied zu damals dar!

Gegenwart
Der Anteil der Erneuerbaren im öffentlichen Netz steigt beständig an, unsere Stromversorgung wird von Jahr zu Jahr grüner. Betrug der Anteil der Erneuerbaren in Deutschland im Jahr 2000 noch magere 6 Prozent, so lag dieser 2019 bereits bei 42 Prozent. Österreich liegt im EU-Vergleich mit über 70 Prozent bereits seit Jahren an der Spitze, in erster Linie dank seines Wasserkraftpotenzials. Bis zum Jahr 2030 plant die Bundesregierung dennoch bilanziell 100 Prozent grünen Strom im österreichischen Energienetz zu erreichen.
Somit ist die Entwicklung beim Energiemix eine überaus positive. Davon abgesehen bietet sich für die Stromabnehmer aber seit langem eine weitere Möglichkeit zu mehr Nachhaltigkeit und das ist Photovoltaik. Als „Prosumer“ kann mit dieser Technologie vor Ort zusätzlich Umweltenergie in das eigene Haus mit eingebracht werden.
Rein ökologisch betrachtet also beste Gründe für eine Rückkehr zur Elektroheizung. Aus der Sicht der Nachhaltigkeit wie auch aus der Sicht des erforderlichen Aufwandes bei der Installation der Haustechnik.
Warmwasserbereitung und Gebäudeheizung wieder mit „Kabel statt Rohre“ auszuführen spiegelt sich natürlich unmittelbar in den Errichtungskosten wider und ein System, das ohne bewegliche Teile auskommt, ist obendrein auch noch lautlos und wartungsfrei. Mit einer angemessen dimensionierten Photovoltaikanlage (z. B. 10 kWp auf einem Niedrigenergiehaus) und einer PV-tauglichen, stufenlosen Leistungsmodulation der Wärmeerzeuger kann dann auch noch ein beträchtliches Maß an vor Ort generierter Umweltenergie in die Gebäudeinstallation eingebracht werden. Dies ist die Voraussetzung, um schlussendlich auch bei den Betriebskosten Einsparungen gegenüber konventionellen Heizungsanlagen erzielen zu können. Das Potenzial hierbei ist hoch: 30 Prozent sind in Österreich möglich, in Deutschland sogar mehr. Derartige Leistungssteller für solarelektrische Wärmeerzeugung sind mittlerweile auch am Markt etabliert und kostengünstig erhältlich.
Warum den Solarstrom aber nun vor Ort im Wärme umwandeln und nicht mehr in das öffentliche Netz einspeisen, wo dann doch noch andere Verbraucher davon profitieren könnten?
Aus zwei Gründen: Zum einen wird die Netzeinspeisung mit sinkenden bzw. auslaufenden Einspeisevergütungen zunehmend unrentabler. Noch ist nicht klar, was das Ende der EEG Vergütung in Deutschland für die Betreiber bedeutet. Eine Möglichkeit ist die Ablöse jeder eingespeisten Kilowattstunde zum aktuellen Marktpreis, so wie das in Österreich der Fall ist. Die Leipziger Strombörse verzeichnet allerdings zunehmend Zeiten mit negativen Strompreisen, sprich Zeiten mit einem Überangebot an Energie im Netz. Innerhalb eines solchen Zeitraumes würden die Betreiber dann für die Abnahme ihres Solarstroms bezahlen. Es ist völlig klar, dass diese dann eher den Schalter umlegen werden, als dass sie einen finanziellen Verlust erleiden würden.
Zum anderen steht das öffentliche Stromnetz zunehmend unter Druck, die vielen kleinen Energielieferanten zu regeln und gleichzeitig die Spannung aufrecht zu erhalten. Durch die Reduktion der solarelektrischen Überschüsse pro Haushalt werden die Netze entlastet und der erzeugte Strom wird an Ort und Stelle zweckmäßig verwendet. Elektroheizungen wie Heizstäbe, E-Heizmatten oder Infrarotpaneele können einfach zusätzlich oder alternativ zu einem Batteriespeicher maßgeblich zur Erhöhung der Eigennutzung von PV-Strom beitragen.
Das Schlimmste, das einer Photovoltaikanlage aus der Sicht der Energiewende blühen kann, ist Leistungsbegrenzung oder gar die Abregelung.
Das heißt, man hätte zwar saubere und kostenlose Erträge vom eigenen Dach zu Verfügung, kann sie aber nicht nutzen. Der Grund dafür ist technisch jedoch nachvollziehbar. Die Übertragungskapazitäten im öffentlichen Netz sind nun mal begrenzt und wenn das Höchstmaß dieser Kapazitäten erreicht ist, so muss der Betreiber des Stromnetzes dieses schützen und einem Netzausfall mit allen Mitteln vorbeugen.
Aus der Sicht der Ökologie und aus der Sicht der Energiewende ist das aber eine katastrophale Entwicklung! Eine errichtete Ökostromanlage darf ihre Arbeit nicht mehr zweckentsprechend verrichten, die erneuerbare Energie verpufft ungenutzt. Und was passiert dann am Abend, wenn warmes Wasser benötigt wird? Wird dann eine Gastherme für die Sicherstellung unserer Behaglichkeit sorgen? Bestimmt nicht, denn bereits jetzt haben wir die technischen Möglichkeiten um dies zu verhindern, indem wir Energie vom eigenen Dach mittels intelligenter solarelektrischer Wärmeerzeugung nutzen. Begriffe wie „PV-Power-to-Heat“ und „Sektorkopplung“ sind Anzeichen dafür, dass das Konzept auch in der Haustechnik immer weiter vorankommt.
Abgesehen von all diesen Argumenten ist „Warmwasser mit Photovoltaik“ heute bereits wesentlich günstiger als mit einer solarthermischen Anlage.

Zukunft
Das Revival der Elektroheizung hat die Fachwelt schon vor über einem halben Jahrzehnt erkannt. Bereits im Juni 2015 veröffentlichte das Magazin „Wirtschaftswoche“ eine entsprechende Prognose von Wissenschaftlern des Fraunhofer Instituts:
„Power-to-Heat ist die Zukunft im Wärmemarkt“ […] Denn wenn Strom künftig nicht verstärkt in Wärme umgewandelt werde, könne die Energiewende sogar scheitern.
So wie Großkraftwerke vor Jahrzenten in der Nacht überflüssigen Strom produziert haben, ist es nun die Sonne, die bei entsprechendem Wetter mehr als nötig liefert. In unseren Häusern bietet das nun die Möglichkeit, aus dem Warmwasserboiler und den Bauteilmassen „Tagspeicher“ zu machen. Die dazu nötigen Wärmeerzeuger gibt es praktisch schon ewig, mittlerweile ist aber auch ihre stufenlose Leistungsregelung hoch entwickelt und dank erschwinglicher Preise für jedermann leistbar.
Erst eine präzise, stufenlose Leistungsregelung macht einen elektrischen Wärmeerzeuger zu einem zeitgemäßen, photovoltaiktauglichen Wärmeerzeuger. Erst dadurch wird dieser „PV-ready“!
Die Warmwasserbereitung mit Solarstrom ist dabei nur der Anfang. Für moderne Gebäude mit zeitgemäßem Dämmstandard und entsprechend dimensionierten PV-Anlagen bietet sich die Möglichkeit fortan auf konventionelle, wassergeführte Heizungen zu verzichten. Damit einher geht eine signifikante „Enttechnisierung“, denn der Wirrwarr aus Pumpen, Ventilen, Leitungen und großvolumigen Pufferspeichern ist obsolet. Derlei Systeme sind ohnehin längst ein Overkill in puncto Materialeinsatz, in puncto Leistung und zu teuer sind sie sowieso. Im Neubau schlägt konventionelle Heizungstechnik schon mal mit 35.000 Euro zu Buche, dabei kommt das solarelektrische Energiekonzept mit weit weniger Technik aus.

 

Fazit
Nachhaltige Wärmeerzeugung ist ein elementarer Bestandteil der Energiewende. Durch die Nutzung von Solarstrom kann auch mit Heizstäben und Elektroheizungen klimaneutral Wärme erzeugt werden, das Stromnetz wird weniger belastet, die Auslastung der PV-Anlagen wird erhöht, der Eigennutzungsgrad des Solarstroms steigt.
„Kabel statt Rohre“ vereinfachen die Installation und den Betrieb der Haustechnik und das Konzept ist bei entsprechender Dimensionierung der Photovoltaikanlage und geeigneter Leistungsmodulation der E-Heizung auch ökologischer als eine wassergeführte Heizung.
Kann ich eine solarelektrische Wärmeerzeugung auch berechnen?
Ein einfaches Tool für die individuelle Berechnung Ihres Energiesystems bietet my-PV online mit dem „Power-Coach“. Es fließen dabei Strom, Warmwasser, Heizung und ggf. auch E-Autos in die Analyse ein.
my-pv.com/de/prinzip/power-coach

Zum Autor
Reinhard Hofstätter MSc war von 2010 bis 2016 im “Austria Solar Innovation Center“ (ASIC) mit Forschungsprojekten im Schwerpunkt Solarthermie betraut. Dabei war er auch als Lehrbeauftragter an der FH Oberösterreich im Studiengang Öko-Energietechnik tätig. Seit Juli 2016 ist er bei my-PV tätig.
my-pv.com

Diesen Beitrag finden Sie auch ab der Seite 38 der aktuellenAusgabe 1-2/2021!


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