Der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) präsentierte heute gemeinsam mit seinen Mitgliedsverbänden und der Österreichischen Energieagentur den zweiten Teil der Studie „Klima- und Energiestrategien der Bundesländer“, in welchem die Klima- und Erneuerbaren-Ziele der Länder und deren Maßnahmen genauer unter die Lupe genommen wurden. Die Studie zeigt, dass die Summe der Länderziele deutlich unter den nationalen Gesamtzielen bleibt und hier massiver Anpassungsbedarf besteht. Zusätzlich zeigt die qualitative Bewertung der geplanten Maßnahmen der Länder, dass sie damit nicht einmal ihre eigenen, zu niedrig angesetzten, Zielvorgaben schaffen können. Bedenkt man, dass die Europäische Union ihre Ziele für die Reduktion der Treibhausgasemissionen und den Anteil der erneuerbaren Energien mit dem kommenden EU-Klimagesetz noch entscheidend anheben wird, tut sich hier ein noch größeres Loch auf. Dann nämlich werden die EU-Mitgliedstaaten zu zusätzlichen Anstrengungen verpflichtet werden. „Es ist auf Länderebene eine dringende und deutliche Anpassung der Ziele und Maßnahmen erforderlich. Hier ist keine Zeit zu verlieren“, betont Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin von Erneuerbare Energie Österreich, die dringende Notwendigkeit einer Trendumkehr. „Um die Klima- und Energieziele in Österreich zu erreichen, ist eine enge und gut abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern notwendig“, hebt Studienautor Günter Pauritsch von der Österreichischen Energieagentur hervor: „Bund und Länder müssen ihre Ziele und Maßnahmen gemeinsam abstimmen, damit die Klimakrise wirklich gemeistert werden kann.“
Länder-Ziele müssen verdreifacht werden
Laut dem Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) soll in Österreich der Anteil erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch auf 46 bis 50% erhöht werden. Das Regierungsübereinkommen sieht bis 2030 eine Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Stromverbrauch auf 100% vor. Dazu muss die jährliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern um 27 TWh ausgebaut werden. Die dokumentierten Ziele der Länder ergeben in Summe aber nur einen Zubau von 10,7 TWh. 16,3 TWh, oder 60% der erforderlichen zusätzlichen Stromerzeugungskapazität sind also in den Länderzielen gar nicht abgebildet. Auf den Ausbaubedarf der einzelnen Stromerzeugungstechnologien heruntergebrochen, ist der Anpassungsbedarf bei der Photovoltaik am eklatantesten. Hier müssen die Ausbauziele der Länder in Summe von 4,2 auf 12,4 TWh nahezu verdreifacht werden. Erheblich ist die Abweichung auch bei der Windkraft. Dort müssten die Länderziele von 12 TWh auf 17 TWh angehoben werden, um das nationale Ausbauziel zu erreichen. Aber auch der Wasserkraft fehlen laut den Zielen der Länder etwas mehr als 2 TWh. Für Strom aus Wärmekraft liegen überhaupt keine Ausbauziele der Bundesländer vor, hier ist eine Erhöhung der derzeitigen Produktion um 1 TWh vorzusehen. „Das heißt, dass die Länderziele in Summe verdreifacht werden müssen. Dazu kommt noch, dass die derzeit gesetzten Maßnahmen der Bundesländer nicht ausreichen, die viel zu gering gesteckten Ziele überhaupt zu erreichen“, bemerkt Prechtl-Grundnig.
Rahmenbedingungen mangelhaft
In der Studie wurde eine Bewertung der derzeitigen Rahmenbedingungen und des bisherigen Fortschritts beim Ausbau der Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien durchgeführt. „Hier ist auf einen Blick ersichtlich, dass die bestehenden Rahmenbedingungen nicht ausreichen um die Energiewende zu schaffen“, betont Prechtl-Grundnig: „Für den Ausbau der erneuerbaren Energien tragen die Bundesländer laut Studie zumindest 50% der Verantwortung, wenn nicht sogar mehr, da ohne eine geeignete Raumordnung und die Erteilung der notwendigen Genehmigungen auf Landesebene gar kein Ausbau möglich ist.“ Vera Immitzer, Geschäftsführerin von Photovoltaic Austria, präzisiert dies für die Photovoltaik: „Obwohl die Potenziale in den Bundesländern vorhanden sind und sich die Landespolitik immer wieder für den Ausbau ausspricht, sind die Rahmenbedingungen nicht geeignet den nötigen Zubau tatsächlich zu ermöglichen. Die Landesgesetze müssen endlich PV-freundlicher werden!“ Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft, setzt fort: „Die Windkraft braucht in allen Bundesländern deutliche Anpassungen. Jene Bundesländer, die noch keinen Windstrom erzeugen, müssen endlich geeignete Rahmenbedingungen schaffen. Aber auch in den Ländern mit deutlichem Windstromanteil sind weitere Flächenausweisungen und Anpassungen der Genehmigungspraxis erforderlich.“ Für die Kleinwasserkraft fordert Paul Ablinger, Geschäftsführer von Kleinwasserkraft Österreich: „Nur in der Steiermark können die Rahmenbedingungen für die Kleinwasserkraft als einigermaßen gut bezeichnet werden, doch dies wäre insbesondere in Tirol wichtig, wo die Potenziale besonders hoch sind. Die Länder müssen ihren Bekenntnissen zur Kleinwasserkraft endlich auch Taten folgen lassen.“ „Wir brauchen bei den Ländern ein echtes Commitment zur Energiewende. Das muss sich durch Verbesserungen bei den Ausbauzielen, durch Flächenausweisungen und bei den Genehmigungsverfahren niederschlagen, damit wir 2030 wirklich eine erneuerbare Stromversorgung erreichen können“, fasst Prechtl-Grundnig den Handlungsbedarf zusammen.
Treibhausgasreduktion muss schneller gehen
Österreich hat sich gegenüber der EU verpflichtet, seine nicht dem Emissionshandel zugeschrieben Emissionen bis 2030 um 36% zu reduzieren. Von 2005 bis 2017 konnten diese allerdings nur um 9% gesenkt werden. Wird das neue EU-Reduktionsziel von mindestens -55% bis 2030 ähnlich wie das bisherige auf die Mitgliedstaaten umgelegt, müsste Österreich eine Reduktion von 50 bis 55% schaffen. Davon ist aber die Summe der Länderziele mit derzeit rund -30% weit entfernt. „Das macht deutlich, wie sehr die Anstrengungen zur Zielerreichung erhöht werden müssen“, betont Prechtl-Grundnig: „Es geht nicht nur um kleine Stellschräubchen, sondern um wirklich große und wirksame Weichen!“ Obwohl sich alle Bundesländer Ziele zur Treibhausgasreduktion gesetzt haben, wird bei der Analyse deutlich, dass noch in fast allen Bundesländern und Bereichen noch Handlungsbedarf besteht. Das Ziel der Bundesregierung, Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, ist bis jetzt in keinem einzigen Länder-Ziel abgebildet.
Fazit
„Um die Klima- und Energieziele in Österreich zu erreichen, ist eine enge und gut abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern notwendig“, betont Pauritsch: „Wichtige Stellschrauben für den Umbau des Energiesystems und den Klimaschutz liegen im Kompetenzbereich der Länder, die ihrerseits in wesentlichen Bereichen auf Unterstützung des Bundes angewiesen sind. Die konkrete Umsetzung von Maßnahmen – auch jene des Bundes – finden naturgemäß in den Bundesländern statt. Es bedarf daher einer Anpassung von Zielen und Maßnahmen sowie einer engen Verschränkung zwischen Bund und Ländern, damit die Klimakrise wirklich gemeistert werden kann.“