Nichts desto trotz stieg ich in Mailand in den Zug und hoffte, dass mir das alles nichts anhaben konnte. Sodann entpuppte sich mein Unterfangen auch weniger tragisch als befürchtet. Nach 70 Minuten war ich in Bologna angekommen, mit nur 10 Minuten Verspätung. Das Messegelände konnte ich auch ohne Taxi erreichen. Die Busse waren zwar bis auf den letzten Platz voll, aber vergleichsweise zu Mailand schnell am Ziel. Nach ein paar Stunden schien auch wieder die Sonne und die Strapazen der Reise waren so gut wie vergessen.
Auf den Messeständen, wo zahlreiche Neuheiten präsentiert wurden, herrschte geschäftiges Treiben. Viele Besucher waren angereist: 95.000, wobei zirka die Hälfte aus dem Ausland stammte. Wie immer lag der Fokus der Cersaie auf der Keramikbranche, die in dem Gebiet rund um Bologna ihr Zuhause hat. Steinverkleidungen ebenso wie Fliesen aus Feinsteinzeug, oft mit Holzoptik, bis hin zu erstklassigen Mosaiksteinchen wurden gerne als Teil aufwendiger Szenarien präsentiert. So konnte man stylische Wohnräume bewundern, bei denen sowohl die Böden als auch die Wände edel verkleidet waren. Ich aber konzentrierte mich wie immer auf den Badezimmerbereich, der leider von Jahr zu Jahr kleiner wird. Heuer gab es gerade Mal zwei Hallen mit Produkten für das Badezimmer, die in harmonischen und ruhigen Farben gestaltet waren. „Klein, aber fein“ war das Motto. Nicht so bunt wie letztes Jahr hat sich die Cersaie 2024 hauptächlich der Trendfarbe Rosarot verschrieben. Wo ich hinblickte sah ich rosarote Nuancen: Hellrosa, Weinrot bis Terrakotta, sowohl bei Möbeln als auch bei Badewannen, Duschkabinen, Armaturen und Accessoires. Beruhigende Farben, die für Ausgeglichenheit und Positivität sorgten, aber dennoch nicht zu übersehen waren. Keine unscheinbaren Farben und nicht zu aufdringlich. Man hatte das Gefühl, dass mithilfe der Farben unserer Gesellschaft und der derzeit sehr brisanten geopolitischen Lage eine rosarote Sonnenbrille angeboten wurde. Wenn schon die Zeiten unruhig sind, dann soll man zumindest im Badezimmer ausspannen können. Neben Farben entdeckte ich auch altbekannte Formen, die an die Vor-und Nachkiegszeit erinnerten. Bei Ideagroup z.B, die eigentlich für ihre lineare Formsprache bekannt ist, gab es dieses Jahr unter anderem Möbel mit Waschtischen zu sehen, die das Design der 1930er Jahre wiederspiegelten. Ein bisschen Vintage und dennoch vollkommen dem derzeitigen Trend entsprechend. Momentan sind altbekannte Formen mehr als angesagt, weil sie uns irgendwie Sicherheit geben. Römische und griechische Säulen findet man nicht nur bei Möbeln, sondern auch auf den Oberflächen von Badewannen. Auf den ersten Blick scheint die Badewanne einfach nur Rillen zu haben. Wenn man dann genauer hinsieht, erkennt man, dass die Rillen die Form antiker Säulen haben.