Die Klimastrategie ist im Finale. Sie sollte neben der Dekarbonisierung und Ökologisierung auch die Versorgungssicherheit Österreichs gewährleisten. Der Großteil des erneuerbaren Stroms, der in Österreich gewonnen wird, wird im Frühjahr und Sommer und damit außerhalb der Heizperiode erzeugt: Laufwasserkraftwerke etwa produzieren im Sommer doppelt so viel Energie wie im Winter. Sieben von zehn Solar-Kilowattstunden werden während der Sommermonate gewonnen. Diese Strommengen lassen sich jedoch nicht über einen längeren Zeitraum lagern - denn entsprechende großvolumige Stromspeicher fehlen. Diese überschüssige Energie und auch die Reststoffe der Landwirtschaft, sowie Klärschlamm oder Abfälle der Lebensmittelindustrie können zu Grünem Gas verarbeitet werden. Laut einer Studie des Energieinstituts der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) besteht ein Potenzial aus rund zwei Milliarden Kubikmeter an Grünem Gas, das in Österreich gewonnen werden kann. Das ist laut JKU ausreichend, um Österreich 2050 im Wärmesektor mit erneuerbarem Gas zu versorgen. Neben den Landwirten und Haushalten profitieren auch die heimische Energiewirtschaft und die österreichische Industrie, weil die innovativen Produkte ins Ausland verkauft werden können.
Vorhandene Infrastruktur nützen
DI Peter Weinelt, Obmann des Fachverbands Gas- und Wärme und Generaldirektor Stellvertreter der Wiener Stadtwerke: "Grünes Gas hat nicht nur enormes Potenzial, es ist obendrein nachhaltig, leistbar und speicherbar. Mit anderen Worten: Es ist Wegbereiter der Energiewende." Die Gaswirtschaft arbeitet intensiv an neuen Ansätzen, um die erneuerbare Energie für die Abnehmer effizient und in großen Mengen zugänglich zu machen. Eine Innovation ist Power-to-Gas, ergänzt Markus Mitteregger, CEO der RAG Austria AG: "Dabei können wir Sonnen- und Windenergie in Form von Wasserstoff vom Sommer in den Winter bringen, speichern und jederzeit verfügbar machen. Die Infrastruktur dafür ist bereits vorhanden und kann für Grünes Gas weiterhin genützt werden." Über das 43.100 Kilometer lange österreichische Gasnetz gelangt Gas in Österreich überall hin, wo es benötigt wird. Die natürlichen unterirdischen Gasspeicher, die mehr Gas aufnehmen können als in Österreich in einem Jahr verbraucht wird, (werden aufgewertet und können weiterhin optimal genützt werden. Zahlreiche Studien aus Deutschland belegen, dass die Nutzung der vorhandenen Gasinfrastruktur und der Power-to-Gas-Technologie die Systemkosten der Energiewende deutlich reduzieren helfen. Einerseits könne auf den Ausbau von Stromübertragungsleitungen verzichtet werden, andererseits sparen Verbraucher bei den Endgeräten, da bestehende effiziente Gasheizungssysteme weiterhin benützt werden könnten.
Energiewende braucht Grünes Gas
Ein wesentlicher Vorteil von Grünem Gas: Es besticht durch seine Flexibilität und Zuverlässigkeit. Es ist immer verfügbar, auch bei Flaute oder bedecktem Himmel, und stellt rund um die Uhr und das ganze Jahr hindurch klimaneutrale Energie für Strom, Wärme und Mobilität zur Verfügung - und zwar bedarfsgerecht. Es besitzt somit die gleichen hervorragenden Eigenschaften wie das seit Jahrzehnten bewährte konventionelle Gas und ist obendrein erneuerbar. Ein weiterer positiver Aspekt von Gas sind die hohen Wirkungsgrade: In Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, wo bei der thermischen Nutzung von Gas neben Strom auch Wärme gewonnen wird, liegen die Wirkungsgrade bei knapp 90 Prozent. Wird Gas in Brennwertgeräten genutzt, werden sogar Wirkungsgrade von 96 Prozent erreicht. Weinelts Resümee: "Zur Erfüllung der Klima- und Energieziele braucht es mehr erneuerbare Energie - auch im Wärme- und Verkehrssektor. Das Bekenntnis der Bundesregierung erneuerbares Grünes Gas in der Klima- und Energiestrategie zu verankern ist gut und richtig. Nun müssen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung erfolgen - und alle erneuerbaren Energieträger müssen gleich behandelt werden. Außerdem sind entsprechende finanzielle Anreize nötig, um die Versorgung mit Grünem Gas flächendeckend auszubauen. Ein reines Verbots- und Verpflichtungssystem ist zu wenig."