"Wir sind stolz darauf, was wir innerhalb eines Jahres schon auf den Weg gebracht haben", sagt DI Susanne Formanek, Vorstand und kaufmännische Projektleitung von RENOWAVE.AT, dem österreichischen Innovationslabor für klimaneutrale Gebäude und Quartierssanierungen und zählt die Highlights auf: "Wir haben im ersten Jahr gleich zwei unterschiedliche Lehrgänge für nachhaltige Gebäudesanierung und Heizungstausch auf den Weg gebracht und in Kooperation mit dem Land Kärnten und dem Land Steiermark ein Umdenken zugunsten der Sanierung anstoßen können." Ulla Unzeitig, Vorstand und verantwortlich für Kommunikation und Strategie bei RENOWAVE.AT ergänzt: „Zusätzlich haben wir viele Veranstaltungen zu Themen wie rechtliche Rahmenbedingungen und modulare Sanierung initiiert. Mit dem ersten großen Sanierungskongress den ‚Renowave.AT Impact Days` von 17. bis 18. Oktober in Graz wollen wir noch mehr Informations-und Wissenstransfer ermöglichen.“
Richtige Rahmenbedingungen für die Sanierungswelle schaffen
Derzeit liegt die Sanierungsrate beim österreichischen Wohnungsbestand bei ca. 1,7 Prozent (Quelle: IIBW). Zur Erreichung der Klimaziele sind mindestens 2,5 Prozent nötig. 2022 ist die Sanierungsrate allerdings gesunken und nicht gestiegen. Damit die Sanierungswelle endlich ins Rollen kommen kann, sind neben technischen Lösungen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen ausschlaggebend: Zurzeit können etwa im Wohnrecht Einzelpersonen eine effiziente Heizungsumstellung des gesamten Gebäudes empfindlich verzögern und verteuern – zum Nachteil der großen Mehrheit und der Klimaneutralität.
„Eine Dekarbonisierung wird derzeit wohnrechtlich als Verbesserung und nicht als Erhaltung eingestuft. Dieser kleine Unterschied hat zur Folge, dass ein Einverständnis der Mieter:innen unumgänglich ist. Einer Umstellung wird – aus den unterschiedlichsten Gründen – oft nicht zugestimmt. Dieses Veto hat daher zur Folge, dass die Heizungsumstellung auf der Strecke bleibt. Es kann nicht sein, dass Österreichs Klimaneutralität von Einzelmeinungen abhängig ist“, betont Ulla Unzeitig.
Das Innovationslabor RENOWAVE.AT hat deshalb in Zusammenarbeit mit den Genossenschaftern Wolfgang Amann und Walter Hüttler konkrete Vorschläge erarbeitet. "Diese Liste an Vorschlägen sind auf unserer Website öffentlich einsehbar", so Susanne Formanek über die Arbeitsweise des Innovationslabors, "wir achten stets auf Open Access – wir sind kein geheimer Zusammenschluss, der hinter verschlossenen Türen agiert: Ganz im Gegenteil, jeder der Teil des großen Umbaus werden möchte, ob als Genossenschafter:in, Mitglied oder Fachexpert:in, ist bei uns herzlich willkommen!"
Energiesprong – ein Konzept für energetische und serielle Sanierung
Das Innovationslabor arbeitet auch intensiv an der Bekanntmachung des ‚Energiesprong‘-Konzeptes: eine serielle Sanierung auf NetZero, die in den Niederlanden ihren Ursprung hat. In Deutschland hat dieses Konzept auch politische Unterstützung. „Seit zwei Jahren existiert eine Bundesförderung für ‚Serielle Sanierung‘. Ohne diese Förderung hätte das Konzept nicht diese Breitenwirksamkeit entfalten können“, weiß Ulla Unzeitig.
RENOWAVE.AT hat Mitte März eine 2-tägige ‚Energiesprong‘-Reise in den Raum Köln / Düsseldorf organisiert, um sich die Projekte aus der Nähe anzusehen und sich mit den Verantwortlichen auszutauschen. 15 Expert:innen von Wohnbauvereinigungen waren mit dabei. Fazit der Reise: In Deutschland gibt es bereits 5 bis 6 Gesamtanbieter, die erste Projekte umsetzen und auch Österreich als Zielmarkt ins Auge gefasst haben.
Momentan startet eine Machbarkeitsstudie zu ‚Energiesprong Österreich‘, um zu klären, welche Rahmenbedingungen in Österreich eine serielle Sanierung unterstützen können. "Die Wohnbauvereinigung interessieren sich sehr für das Thema ‚Energiesprong‘ /serielle Sanierung. Immerhin haben sie viele Gebäude wie etwa 3 bis 4-geschossige Gebäude in ihrem Bestand, die sich für diese Sanierungsart eignen würden“, resümiert Ulla Unzeitig, die diese Reise organisiert und begleitet hat.
Klimaneutrale Sanierung ganzer Quartiere
"Wir verfolgen einen ganzheitlichen, großvolumigen Ansatz. Unsere Vision ist eine klimaneutrale Sanierung ganzer Quartiere und Straßenzüge. Dafür sehen wir uns vor allem die Prozesse an, wie zum Beispiel Entscheidungshierarchien und Genehmigungsverfahren. Das wird unser Schwerpunkt im nächsten Jahr sein“, erklärt Susanne Formanek. In kleiner Form wurden hier bereits erste Erfahrungen gesammelt. "Wir haben in Kärnten bei mehreren Siedlungen sogenannte Klimaneutralitäts-Checks gemacht. Also uns angesehen, welche Forschungsfragen hier relevant sind, damit wir nicht an der Praxis vorbeiarbeiten. Der Bezug zum realen Quartier ist uns wichtig, nur so findet Forschung den direkten Weg in die Bauwirtschaft", unterstreicht Ulla Unzeitig.
Das Fazit bisher
Oft wird Sanierung und Neubau an den gleichen Maßstäben – etwa beim Schallschutz oder der Barrierefreiheit – gemessen. Die graue Energie, also die Energie, die bereits in den Gebäuden steckt, wird meist nicht berücksichtigt und über Baukultur wird erst gar nicht diskutiert. Hier gilt es praxistaugliche Kriterien zu entwickeln, damit der Gebäudebestand gegenüber dem Neubau eine Chance bekommt und wir zu einer smarten Quartiersentwicklung mit Heizungsumstellung und gegebenenfalls zu einer Nachverdichtung kommen.
Premiere für das zentrale Sanierungs-Event Österreichs mit den RENOWAVE.AT Impact Days 2023 in Graz
Erstmals wird in Österreich ein Baukongress stattfinden, der sich ausschließlich dem Thema "gesamtheitliche Sanierung" widmet. "Es ist an der Zeit, dass wir unser Augenmerk auf die Gebäude richten, die bereits da sind. Wir können angesichts der angestrebten Klimaneutralität Österreich nicht noch einmal bauen“, meint Ulla Unzeitig.
Impact Days 2023
Bei den RENOWAVE.AT Impact Days am 17. und 18. Oktober in der Seifenfabrik Graz können sich die Teilnehmer:innen vor Ort zu den neuesten Entwicklungen, Trends und Innovationen informieren. Der Kongress richtet sich an Entscheidungsträger:innen der Baubranche mit dem Anliegen den Gebäudebestand zu dekarbonisieren und zukunftsfit weiterzuentwickeln. Good-Practice-Beispiele zeigen, wie es in der Praxis schon funktioniert. Übertragbare Lösungen und anwendbare Innovationen ebnen den Weg Richtung Klimaneutralität.
"Es gibt einen Wärmepumpen-Workshop ebenso wie eine Podiumsdiskussion zu smarter Quartiersentwicklung", freut sich Susanne Formanek über den vielfältigen Themenmix. Serielle Sanierung, Kreislauffähigkeit und digitale Bestandsaufnahme werden auch Themen sein, die man mit nationalen und internationalen Expert:innen diskutieren kann. „Wir sind überzeugt, dass die herausfordernden wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen kooperativ besser zu meistern sind. Mit den RENOWAVE.AT Impact Days schaffen wir den Rahmen für Begegnungen, damit unsere Baukultur wertschätzend an die nächste Generation weitergegeben werden kann“, hebt Ulla Unzeitig abschließend hervor.