Der Klimawandel mit regelmäßigeren und langandauernden Hitzeperioden macht allerdings immer deutlicher klar, dass wir künftig neu denken und planen müssen: es geht nun darum, im Sommer Hitze fernzuhalten bzw. zügig abzuleiten und im Winter, die Sonne ins Haus zu holen und möglichst lang saisonal zu speichern. Wir gehen inzwischen davon aus, dass in wenigen Jahrzehnten der Energiebedarf für Kühlen und Heizen in etwa gleich groß sein wird.
Die kommunale Wärmewende im Lichte der Pariser Klimaschutzziele
Ein weiterer Treiber für innovative Lösungen ist der gesamtgesellschaftliche Anspruch die Pariser Klimaziele zu erfüllen und die Erderwärmung in einem erträglichen Maße einzudämmen. Dafür ist der Umstieg auf Erneuerbare Energie unumgänglich. Vor allem auch in der Bereitstellung von Wärme für den Gebäudesektor liegen gewaltige Einsparungspotenziale für klimaschädliche Treibhausgasemissionen. Der Wärmebereich ist für mehr als 50 % des österreichischen Endenergieverbrauchs verantwortlich und wird zu einem Großteil von rund 60 % noch mit fossiler Energie abgedeckt. Gerade im urbanen Raum ist daher eine erfolgreiche Wärmewende von zentraler Bedeutung für die Erreichung der nationalen und internationalen Pariser Klimaziele.
Einsparungspotenziale und benötigte Innovationen
Innovative Konzepte für Wärme- und Kältenetze werden dabei als Schlüsseltechnologie betrachtet. Durch intelligente Vernetzung von Erneuerbaren Energien und Abwärme, Speichern, Wärmeabnehmern und durch Koppelung mit anderen Energieversorgungsnetzen (v.a. Strom, Gas) und Infrastrukturen (v.a. Kommunale Abwässer, Industrielle und gewerbliche Abwärme) wird eine Steigerung der Gesamteffizienz sowie eine Reduktion des Primärenergiebedarfes erzielt. Damit ermöglichen sie den Übergang zu einem dekarbonisierten, effizienten, nachhaltigen und fossilfreien Energiesystem.
Die Herausforderungen im Neubau und Bestand
Insgesamt steht die Wärmebereitstellung, das Thermomanagement damit vor umfassenden Umwälzungen. Ein Paradigmenwechsel bahnt sich an: neue Planungsgrundlagen für Neubau und Sanierungen müssen formuliert werden, neue Lösungen konzipiert und neue Technologien wie auch Speicher werden zum Einsatz kommen müssen. Dem saisonalen Ausgleich von Wärme kommt zunehmende Bedeutung zu. Der diesjährige Sommer hat vor allem die Frage nach der Kühlung von Gebäuden, insbesondere in urbanen Gebieten in den Fokus gerückt. Hier gehen die Lösungsansätze in mehrere Richtungen, einerseits geht es um passive Kühlung mithilfe von Begrünung und Beschattung andererseits kommt bspw. im Großkundenbereich der Stadt Wien bereits Fernkälte zum Einsatz, mit steigendem Zuspruch seitens der Betreiber großer Immobilien. Im Neubau sind Maßnahmen zum nachhaltigen Thermomanagement relativ leicht umzusetzen. Der Umstieg auf erneuerbare Energiequellen (z.B.: Wärmepumpen, biogene Fernwärme, Geothermie) im Neubau stellt geringe Anforderungen an Technik, Verwaltung und Eigentümer. Kritischer ist der Bauwerksbestand, wo nachträgliche Maßnahmen im Bereich des Thermomanagements meist technisch aufwändiger, teurer und zum Teil mit behördlichen Bewilligungsprozessen verbunden sind. Das Potenzial im Gebäudebestand ist jedoch ungleich größer als im Neubau. Zur flächendeckenden Transformation des Gebäudebestandes fehlt es an praktikablen und kostengünstigen Lösungen im Bereich des Thermomanagements für z.B. Wärmespeicherlösungen, Wärmepumpen, Biomassekessel und die Systemintegration dieser Komponenten.
Der Klima- und Energiefonds als relevanter Player bei der kommunalen Wärmewende
Deshalb fördert der Klima- und Energiefonds seit seiner Gründung im Jahr 2007 fast 570 innovative Forschungs- und Umsetzungsprojekte im Bereich „Urbane Wärmewende“ und unterstützt die Entwicklung von bedeutsamen und neuen Innovationen mit mehr als 100 Millionen Euro. Durch diese Förderungen konnten Investitionen in Höhe von über 250 Millionen Euro ausgelöst werden und neue wichtige Erkenntnisse im Bereich Wärmespeicher, Wärmenetze, Sektorkoppelung und Wärmeerzeugung gewonnen werden. Im Programm „Energieforschung“ wurden erfolgreich neue Technologiekomponenten, Kühlmittel, innovative (saisonale) Wärmespeicher beforscht und weiterentwickelt. Die Smart Cities Initiative greift solche Forschungsergebnisse auf und demonstriert die urbane Wärmewende & Kühlung im „realen Labor“ der Stadt. Die Vorzeigeregionen gehen noch einen Schritt weiter und demonstrieren, dass vollintegrierte Energiesysteme unter Nutzung aller (industriellen) Wärmequellen umsetzbar sind. Auch spezifische erneuerbare Energiequellen sind Teil des Portfolios des Klima- und Energiefonds. Die Solarthermie, in Form von Großanlagen, wird für ausgewählte Brachen in einem Programm des Klima- und Energiefonds gefördert.
Projekterfolge und weiterer Forschungsbedarf
Als Alternativen zur gängigen Wärmeversorgung in urbanen Wohngebieten mit Fernwärme oder Gas- Kessel bieten sich Lösungen mit Wärmepumpen und Erdsonden(-feldern) an. Eine Untersuchung im Auftrag der Stadt Wien (Stadt Wien MA 20, 2016) hat ergeben, dass diese Art der Wärmeversorgung über den Lebenszyklus auch wirtschaftlich sein kann. Da in urbanen Wohngebieten vornehmlich Wärme zur Raumheizung und für das Warmwasser benötigt wird, ist eine ausgeglichene Wärmebilanz der Erdsondenfelder nicht möglich. In der österreichischen Energieversorgung spielt Fernwärme eine zentrale Rolle und deckt hier bereits 26 % des nationalen Wärmebedarfs (Stand 2017). Die Energieversorgung der Wärmenetze hat sich mit dem Ziel der Reduktion von CO2-Emissionen in den letzten Jahren stark geändert. Der Anteil biogener Brennstoffe konnte insbesondere durch eine Vielzahl an Biomasse-Nahwärmenetzen von knapp 8 % Anfang der 1990er Jahren auf 46 % im Jahr 2016 erhöht werden. Der Anteil von Kohle und Öl ist in diesem Zeitraum von knapp 50 % auf nunmehr 10 % gesunken. Fernkälte ist sowohl in Österreich als auch in Europa stetig wachsend, sodass sich die gelieferte Fernkälte in den letzten zehn Jahren von 25 GWh auf 147 GWh knapp versechsfacht hat 2. Die installierte Fernkälte-leistung betrug 2017 134 MW. Dies liegt an gestiegenen Komfortanforderungen im privaten und kommerziellen Bereich und an steigenden Jahresmitteltemperaturen.
Kalte Fernwärme / Anergienetze
Bei Kalter Fernwärme ist die grundlegende Idee, durch sehr niedrige Temperaturniveaus (< 35°C) niedrigexergetische Wärmequellen wie NT-Abwärme, Geothermie, Oberflächengewässer, Grundwasser, Abwasser oder NT-Solarthermie in Kombination mit dezentralen Wärmepumpen nutzbar zu machen sowie Transportverluste fast vollständig zu eliminieren. Diese Systeme werden häufig mit flexiblen Systemtemperaturen (5 -35°C) betrieben und als hydraulisch ungerichtetes Netz mit ring- oder maschenförmiger Topologie ausgeführt. Aufgrund der niedrigen Systemtemperaturen kann über dieselbe Infrastruktur nicht nur Wärme, sondern auch Kälte bereitgestellt werden. Wobei die Kälteversorgung gleichzeitig einen Energieeintrag bedeutet und z.B. zur Regeneration von saisonalen Speichern dient. Aufgrund des intelligenten Systemdesigns werden Jahresarbeitszahlen von 4 bis 5 und trotz hoher Massenströme ein vertretbarer Pumpstrombedarf erreicht. Weitere Vorteile sind sowohl die Möglichkeit ungedämmte Kunststoffrohrleitungen einzusetzen sowie ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich der Integration neuer Quellen, Senken und Speicher an nahezu beliebiger Position im System. Vorreiter in Sachen Kalter Fernwärme ist die Schweiz. Hier sind bereits mehrere Anergienetze zur Wärme-und Kälteversorgung auf Basis von Abwärme bzw. gespeist von Abwasser- oder Seewasserwärme in Betrieb bzw. in Planung. Anergienetze im Bereich von Smart Cities haben eine besondere Bedeutung für den intelligenten, gebäudeübergreifenden Energieaustausch, der thermischen Vernetzung von Gebäuden und die Nutzung lokaler, regenerativer Energiequellen. Über das gleiche Versorgungssystem kann auch eine ökologisch nachhaltige Gebäudekühlung zur Verfügung gestellt werden. Mit saisonalen Speichern werden Erzeugungsspitzen im Sommer zu den Lastspitzen im Winter transferiert und sogar Wärmeeinträge aus der Kälteversorgung nutzbar gemacht.
Ausblick
Die technischen Möglichkeiten für eine nachhaltige Wärmewende stehen in vielen Fällen bereits zur Verfügung. In einigen Fällen ist noch Forschungsbedarf gegeben, um den Neubau, den Bestand und die Netzinfrastruktur auf die Wärmewende abzustimmen. Wesentlich ist, dass diese optimierten Systeme kompetente Planer und Ausführende benötigen. Dieser Herausforderung stellt sich auch der Klima- und Energiefonds, der einerseits Fördergelder in Forschung, Entwicklung und Innovation der Wärmewende investiert, aber auch Leuchtturmprojekte im realen Betrieb fördert. In Kombination mit der laufenden Unterstützung im Bereich der Aus- und Weiterbildung kann und muss die Wärmewende langfristig gelingen, um Österreich auf einen klimaneutralen Pfad im Gebäudesektor voranzubringen.