Mein Chef erläuterte mir damals, wie wichtig es sei, lieber mehr als weniger zu informieren und war – wie der Autor – für Offenheit. Ich sollte mithelfen, diese Leitlinie weiter auszubauen. Dies geschah alles noch vor der Zeit von EDV und Digitalisierung. Die Prokuristen hielten die Umsätze der Abteilungen geheim. Der Rohertrag wurde nur für den Jahresschluss ermittelt, wobei die Inventurauswertung frühestens im April/Mai vorlag. Fachzeitschriften gab es, jedoch blieben diese meist schon in der zweiten Management-Ebene hängen. Wir schafften Mehrfachexemplar an, arbeiteten mit Verteiler-Laufzettel. 100.000 ,- DM gaben wir für die Einführung des Harzburger Modelles aus – mit von mir entwickelten Stellenbeschreibungen (Aufgaben/Kompetenz/Verantwortung). Der unsichtbare Erfolg war groß. Der sichtbare Erfolg war: Jeder Abteilungsleiter durfte seine Post selbst unterschreiben und Spesen seiner Mitarbeiter abzeichnen – und er durfte eigene Auslagen seiner Mitarbeiter bis zur Höhe von 50 ,- DM im Einzelfall genehmigen. Das war damals ein Fortschritt und wer auf dem Verteiler einer Fachzeitung stand, war so etwas wie ein „high-potential“. Allerdings hatte die Eingangs-Poststelle im Hause noch ein paar Jahre die Aufgabe, Stellenanzeigen aus Fachzeitschriften zu entfernen.
Später musste ich meine ganze weitere Berufslaufbahn in verschienenen Unternehmen erneut wieder feststellen, dass immer wieder – aus Gedankenlosigkeit, bewusstem Zurückhalten von Informationen, Unfähigkeit zur Nutzbarmachung wichtiger Beiträge etc. – diese wichtigen Mittel der Weiterbildung und des Vergleiches in seiner Wirkung meist erheblich herabgesetzt waren. Bei Behinderungen haben schließlich progressive Menschen die Fachzeitungen privat abboniert. Ein bedeutender Senior der Eisenwarenbranche sagte mir vor kurzem: Vermutlich bin ich der einzige in unserem Unternehmen, der die Artikel noch wirklich studiert und analysiert – vermutlich arbeitet er auf diese Weise nach wie vor wertvoll dem Management zu.
Das ist die große Ausrede!
Ich halte den Zeitmangel heutzutage für eine große Ausrede. Wenn das Lesen (bzw. Lese-Aufgaben) aufgeteilt und selektiv vorgegangen wird, kann dies doch kein Problem sein sämtliche relevante Inhalte zu erfassen. Oder hat goistischer Wissensvorsprunges die Nase vor Teamwork, Aufbereitung, Ideen dazu und Diskurs? In erfolgreichen Unternehmen, welche den Wert von Fachinformationen aus Fachzeitungen erkannt haben, ist das natürlich alles gelöst, bis zu den Lehrlingen. Selektierte Fachartikel sind Themen des Lehrlingsunterrichts. Wenn ein Lehrling in den drei Jahren Lehrzeit pro Woche eine halbe Stunde für derartiges „Verstehen lernen“ aufwendet, ist er nach wenigen Jahren ein Profi. Unabhängig davon vermute ich, dass es noch immer viele Unternehmen gibt, wo im Rahmen der täglichen Arbeit durch die Älteren, die Könner und Wissenden, Informationen bewusst nicht an die Jüngeren weitergegeben werden; vermutlich aus Angst Vorsprünge zu verlieren. Den Unternehmen schadet das sehr. Ein freudiges Erlebnis in der ganzen Angelegenheit hatte ich kürzlich, als ich vor einem Geschäftsführersekretariat einen großen Tisch sah, auf dem 25 unterschiedliche Fachzeitschriften für die Mitarbeiter angeboten wurden. Das mittelständische Unternehmen ist ein regionaler Baustoffhändler mit integriertem Bau-, Wohn- u.- Gartenmarkt mit ca. 200 MitarbeiterInnen. Die meisten Zeitungen sind mehrfach abonniert. Alle Mitglieder der Abteilungen sind scharf auf die neuen Informationen. Auch fragen die drei Chefs, selbst große, selektive, Leser immer wieder ihre Leute, ob sie diesen oder jenen Artikel bemerkt hätten. So sollte es meiner Meinung nach sein!