Für die moderne Gebäudesanierung braucht es mehr handwerkliches Know-how als für den Bau eine Strohhütte. Was wäre, wenn man daraus gleich einen eigenen Beruf macht? Foto: Photodisc
Im Bereich der Sanierung von Kleingebäuden, also von Ein- und Zweifamilienhäusern, gibt es einen großen Sanierungsbedarf. Mehr als 90 Prozent dieser rund 1,8 Mio. Gebäude entsprechen nicht mehr heute gültigen Gebäudeenergie-Richtlinien. Hier liegt ein Riesenpotenzial für die Reduktion des Energieverbrauchs. Die fachgerechte Sanierung eines Einfamilienhauses inklusive Erneuerung des Heizsystems und Einbau einer kontrollierten Wohnraumlüftung ermöglicht die Reduktion von 200 kWh/m2a oder mehr auf deutlich unter 50 kWh/m2a.
Von der Theorie zur Praxis
Die angestrebte Sanierungsrate von drei Prozent wird dennoch Jahr für Jahr verfehlt, was unter anderem an fehlenden Fachkräften für die energetische Gebäudesanierung liegt. Laut einer Schätzung des Berufsförderungsinstituts stecken in der energetischen Sanierung eines Einfamilienhauses rund 2.000 Facharbeitsstunden – oder anders ausgedrückt: Vier Personen arbeiten drei Monate lang an einem Sanierungsobjekt, bis es komplett fertig ist.
Die Realität ist aber anders. Wenn es tatsächlich einmal zu einer Sanierung kommt, dann arbeiten nicht vier Personen konzentriert an einem Objekt, sondern viele verschiedene Teilgewerke geben einander die Klinke in die Hand, arbeiten teilweise unkoordiniert und mit unterschiedlichen Qualitätsansprüchen neben- und hintereinanderher, sind einander im Weg oder legen die Baustelle dann wieder für Wochen lahm, weil die nötigen Monteure grad anderswo gebraucht werden. „Theo-retisch wüsste jeder, wie es gehen soll, aber keiner will selber hackeln“, sagt Theodor Seebacher, Salzburger Landesinnungsmeister der Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker: „Und vor allem fehlen die Fachkräfte, die so ein Sanierungsprojekt wirklich umsetzen können!“ Als Lösung schlägt Seebacher, der sich seit Jahren mit diesem Themenbereich beschäftigt, einen neuen Lehrberuf vor: Die „Öko-Sanierungs-Fachkraft“.
Wie der Karrosseur
Seebacher bringt ein Beispiel aus der Kfz-Branche. Da gibt es das Berufsbild des Karosseurs (bzw. Karosseriebautechnikers), der sich auf die Wiederherstellung beschädigter Karosserien spezialisiert hat. „Der muss auch Spengler sein, Schlosser, Lackierer, Tapezierer und noch Fertigkeiten von ein paar anderen Berufen haben, sonst wird das Auto nie fertig“, erklärt Seebacher. Der Karosseur muss also über alles Bescheid wissen, was nötig ist, um ein verbeultes Fahrzeug wieder fahrtüchtig zu machen. Andernfalls müsste der Besitzer gleich mehrere Werkstätten damit beauftragen, jeweils einzelne Arbeiten zu übernehmen, und das Ganze auch noch selbst koordinieren – so wie es bei der Gebäudesanierung nach wie vor der Fall ist. Der Öko-Sanierungstechniker sollte ähnlich umfassend ausgebildet sein und eine Gebäudesanierung vom ersten Aushub des Erdreichs über die Dämmung und die Fenstermontage bis hin zur Erneuerung der Heizungsanlage und den Einbau der Wohnraumlüftung begleiten können.
Aufwertung des Handwerks
Theodor Seebacher sieht darin eine Chance, das Handwerk insgesamt aufzuwerten – denn das Gelingen einer Gebäudesanierung steht und fällt mit den handwerklichen Fähigkeiten des Facharbeiters. „Ein Facharbeiter, der sein Geschäft von der Pike auf gelernt hat und es umfassend beherrscht, ist am Arbeitsmarkt sehr gefragt“, so Seebacher. Das gilt ganz besonders für den Bereich der Gebäudesanierung, wo in den kommenden Jahrzehnten großer Handlungsbedarf besteht – ein Fachmann für dieses Gebiet hat auf Lebensarbeitszeit hinaus garantiert genug zu tun und damit einen stets gesicherten Arbeitsplatz. Das ist in Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit ein Wert, der auch die öffentliche Hand zum Umdenken bringen sollte. Seebacher: „Jeden Euro, den der Staat in diese Richtung investiert, bekommt er hundertfach zurück.“
Lesen Sie den ganzen Artikel in der Ausgabe 1/2014!