Nachhaltiger heizen im Alpendorf

12.10.2021 | Heizung, News

Nachdem der Einsatz von Wärmepumpen im privaten Wohnbau zunehmend zum energetischen Standard wird bzw. es bereits ist, finden auch Großlösungen für die Industrie, Gewerbe und ­Hotellerie verstärkten Zugang in den Energiemarkt.

Dass die vermeintlich oft zu hohe Komplexität zukunftsfähiger Großwärmepumpen-Konzepte durchaus beherrschbar ist, zeigen nicht nur einzelne urbane Vor­zeigeprojekte. Ein kleines Dorf in den österreichischen Alpen macht vor, wie man ein Nachhaltigkeitsvorhaben praktikabel zum Erfolg führt: mit einem guten Plan, leistungsfähigen Erzeugern und einer optimierten Netzhydraulik. Schaut man nach Skandinavien, verzerren sich die (Leistungs-)Dimensionen, die im deutschsprachigen Raum oft noch zielgebend sind. In Stockholm beispielsweise werden heute schon 420 MW Wärme aus dem GWP-Betrieb in das dortige Fernwärmesystem eingespeist. Auch wenn aufgrund unterschiedlicher infrastruktu­reller Voraussetzungen und regulatorischer Rahmenbedingungen ein solcher Ist-Zustand kaum vergleichbar scheint, so vermittelt er doch ein eindrückliches Bild davon, was Wärmepumpen-Technologie in großem Maßstab zu leisten vermag und welche Chancen sie für den zügigen Weg zur CO2-Neutralität bietet. Wie ein solches Konzept aussehen kann, zeigt ein kleiner Ort im ­Montafon/Vorarlberg.

Fernwärme für Hotelbetriebe
Die heute realisierte Form der Wärmebereitstellung fügt sich in passender Weise in die Umwelt- und Klimapolitik des Ortes ein: Bereits 2008 hat sich die Gemeinde dem so genannten e5-Programm verpflichtet und lässt seitdem regelmäßig ihre Maßnahmen und Aktivitäten zur Verbesserung der ­kommunalen Energieeffizienz von einer ­unabhängigen Kommission evaluieren. Die große Anzahl an Übernachtungsgästen (über 500.000 jährlich) stellt dabei besondere ­Anforderungen an die Versorgungssicherheit und den Komfort und geht gleichzeitig mit sehr hohen Bedarfsgrößen an Warm­wasser und Raumwärme einher, die auf möglichst umwelt- und ressourcenschonende Weise bereitgestellt werden sollen. Noch bis vor gut einem Jahr erzeugte ein Bioasseheizwerk die benötigte thermische Leistung, die in den vergangenen Jahren deutlich anstieg. Dabei offenbarte die Anlage Alterserscheinungen, die einer umgehenden Behebung bedurften und die Frage auf­warfen: Sanierung oder Alternativ-Konzept?
Mit dem klaren Ziel, eine ohnehin bereits nachhaltige, regional verankerte Energie­versorgung noch umweltfreundlicher und zugleich wirtschaftlich solide zu gestalten, entschied sich die Gemeinde für einen ­neuen Weg. Seit kurzem setzt man hier auf Abwärmenutzung aus einem nahegelegenen Speicherkraftwerk für den GWP-Betrieb. Gleichzeitig stellt sich der Alpenort auf ein späteres Wachstum ein: Per Einspeisung in das örtliche Fernwärmenetz werden aktuell 97 Abnehmer (vorwiegend Hotels) mit lokal erzeugter Wärme bedient, mindestens 90 weitere Anschlussnehmer sollen in naher Zukunft hinzukommen. Geplant ist ein Netzausbau von 7 auf 12 GWh Netzabgabe. Um das 3,6-MW-Fernwärmenetz mit einer Vorlauftemperatur von 80 °C zu speisen, wird die Abwärme aus der Turbinenlagerkühlung des zwei Kilometer entfernten Speicherkraftwerks als Quellenergie eingesetzt. Zwei NH3-Großwärmepumpen mit einer Leistung von jeweils 1,2 MW lassen sich auf diese Weise betreiben. Die Spitzenlastab­deckung erfolgt mittels zwei neuer Ölkessel; sie verfügen über eine thermische Leistung von 1×2 und 1×3 MW.

Betrieb, Abwärmenutzung und Hydraulik-Optimierung
Großwärmepumpen zählen zu den viel­versprechendsten energietechnologischen Instrumenten für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors. Sie ermöglichen es, (bislang oft unerschlossene) niedertemperierte Umwelt- und Abwärmequellen in ein Versorgungssystem zu integrieren. „Das Potenzial von Großwärmepumpen ist in Um­gebungen mit hohen Lastprofilen – etwa bei der Versorgung von Gebäudekomplexen oder Quartieren enorm,“ erläutert Stefan Wehinger, Gesellschafter des planungsbeauftragten Ingenieurbüros Enerplan GmbH/Röthis, einem erfahrenen Full-Service-Anbieter von regenerativen Energielösungen. „Inwieweit die so verfügbaren thermischen Kapazitäten jedoch tatsächlich effizient ­genutzt werden können, hängt entscheidend von den Betriebsbedingungen des Gesamtanlagensystems ab. Der Netzhydraulik kommt dabei eine vielfach vernachlässigte, in der Praxis aber absolut zentrale Funktion zu.“ Ist die Hydraulik gestört, kann die ­Wärmepumpe nicht mehr in ihrem opti­malen Bereich arbeiten – die Taktungsfrequenz erhöht sich, Soll-Temperaturen lassen sich nicht realisieren oder es kommt zu ­deutlich verringerten Laufzeiten durch eine Übersteuerung anderer integrierter Wärmeerzeuger bzw. Spitzenlast-Anlagen. Ein möglicher Effizienzgewinn durch Einbindung von Niedertemperaturen wird auf diese Weise schnell zunichtegemacht.

Diesen Beitrag finden Sie ungekürzt auch ab Seite 42 der aktuellen Ausgabe 10/2021!

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