Mit dem sogenannten „Green Deal“ hat sich die Europäische Union ein hohes Ziel gesetzt. Bis zum Jahr 2050 soll auf die Verwendung fossiler Energieträger komplett verzichtet werden. Das bedeutet für den europäischen Fernwärmesektor die schrittweise Stilllegung von Heizwerken sowie Kraft-Wärmekopplungen auf Basis von Kohle, Erdöl und Erdgas. Für die Erreichung dieser Zielsetzung braucht es aufgrund der gänzlich anderen Rahmenbedingungen von erneuerbaren Energieträgern und Abwärmen deutlich mehr ausgleichende Technologie, wie z. B. Großwärmespeicher. Das theoretische Know-how wäre vorhanden, aber erst wenn diese Flexibilitätselemente auch in der Praxis bereitgestellt werden, können große Wärmemengen z. B. aus Solarenergie, Geothermie, Power to Heat, Industrieabwärme usw. in die Fernwärmenetze integriert werden.
Wärmespeicher im großen Stil
Das derzeitige Wissen über große thermische Energiespeicher beschränkt sich auf eine kleine Anzahl von umgesetzten Projekten. Um diesen Umstand nachhaltig zu ändern, hat ein Projektteam von 23 europäischen Forschern, Technologieanbietern, Baufirmen und Wärmenetzbetreibern unter der Leitung des steirischen Forschungsinstituts AEE INTEC eine Projektidee entwickelt, die zukünftig eine robuste, sichere, kostengünstige und nachhaltige thermische Energiespeicherung im großen Maßstab gewährleistet. Damit wurde das EU-Projekt „TREASURE – Neuartige Großwärmespeichertechnologien in Nah- und Fernwärmenetzen“ gewonnen. Vom 5. bis zum 7. März 2024 fand dazu in Graz das Kick-off-Meeting des elf Millionen Euro schweren Großprojekts statt.
Die Ziele des Projekts sind, Innovationen auf dem Gebiet der Komponenten- sowie Systementwicklung zu liefern und damit eine erhebliche Kostenreduktion zu ermöglichen: Die Forschung richtet ihr Augenmerk einerseits auf Baukonstruktionen für Speicherwände und -abdeckungen, die speziell für den urbanen Raum flächeneffiziente Lösungen bieten und somit trotz geringer Flächenverfügbarkeit und hoher Grundstückskosten umgesetzt werden können.
Digitale Zwillinge
Um Bauabläufe zu optimieren, die Bauqualität zu erhöhen und die Kosten zu senken, ist ein erklärtes Projektziel die Erweiterung des im Gebäudebereich hinlänglich bekannten „Building Information Model“ auf die Erfordernisse von Großwärmespeichern. Die Entwicklung von sogenannten „digitalen Zwillingen“ von Großwärmespeichern erlaubt nicht nur in der Planung ein simulationsgestütztes Optimieren des Speicher- und Systemdesigns, sondern bietet auch die Basis für eine effiziente Betriebsführung und Regelung über die gesamte Speicherlebensdauer.
Das EU-Projekt TREASURE zeigt weiters die Funktion und die Wirtschaftlichkeit der Technologie anhand von sieben im Laufe des Projekts umzusetzende Großwärmespeicherprojekte. Eine enge Begleitung des Planungs-, Bau- und teilweise auch des Anlagenbetriebs – also Monitoring – garantiert bestmöglichen Wissensgewinn und den Austausch im Projektkonsortium bzw. der interessierten Branche. Das erlangte Wissen über die sogenannten Satelliten-Projekte soll weiteren 14 europäischen Vorhaben für Großwärmespeicher zugänglich gemacht werden. Der Hauptnutzen des Projekts TREASURE liegt in der Abbildung der Funktionalität sowie der Wirtschaftlichkeit von Großwärmespeichertechnologie. Die aus der Projektabwicklung gewonnenen Erkenntnisse werden zukünftig eine breite Informationsbasis und innovative Lösungsansätze für Investoren, Fernwärmebetreiber, Entscheidungsträger, Baufirmen und Ingenieure liefern, welche wiederum wichtige Beiträge zur Beschleunigung des Marktwachstums von Großwasserwärmespeichern in Europa leisten werden.
Sieben Großwärmespeicher geplant
Insgesamt sollen im Projekt sieben unterirdische Großwasserwärmespeicher mit Volumen zwischen 18.000 und 500.000 m³ in fünf europäischen Ländern – Frankreich, Deutschland, Polen, Serbien und Österreich – umgesetzt werden. Es werden von der Planung über die bauliche Umsetzung bis hin zum Betrieb alle Projekte begleitet und dokumentiert. Dabei wird Wärme aus unterschiedlichen erneuerbaren Energien und industrieller Abwärme gespeichert, um fossil generierte Wärme aus Kohle, Erdöl und Erdgas zu ersetzen. Die sieben Demonstratoren befinden sich in unterschiedlichen Planungs- und Umsetzungsstadien, weshalb einige bereits im Jahr 2026 und andere im Jahr 2027 in Betrieb gehen sollen.
Graz ist eine Pionierstadt
Graz ist eine österreichische Pionierstadt im Programm „Klimaneutrale Stadt“. Im Rahmen dieser vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sowie dem Klima- und Energiefonds unterstützten Initiative begleitet Graz vier Vorzeige-Quartiere bei der Transformation in Richtung Klimaneutralität. Im Bereich des ehemaligen Areals der Tagger-Mühle entsteht eines der vier wegweisenden neuen Stadtquartiere. Die lokale Entwicklung, die sich über mehrere Ausbaustufen erstreckt, transformiert ein einstiges Industrieareal in einen durch erneuerbare Energie versorgten Wohn-, Arbeits- und Freizeitraum für die Grazer Stadtbevölkerung. Die finale Ausbaustufe wird 31.000 m² Nutzfläche aufweisen. Das Herzstück dieser Transformation liegt in der Energieversorgung.
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