Ich esse manchmal ganz gerne einen Zander. Also habe ich Anfang Oktober meinen Fischhändler wieder mal um ein paar Filets gebeten – aber anstatt mir welche aus seiner Vitrine zu holen, hat er die Stirn gerunzelt, den Kopf geschüttelt und dazu Zeigefinger und Daumen aneinandergerieben. Nach zwei, drei Sekunden habe ich ihn verstanden: „Ist der teuer?“ Ja, war seine Antwort: 38 Euro pro Kilo. Ups, das ist mindestens um die Hälfte mehr als noch vor dem Sommer, da wollte ich schon wissen, warum das plötzlich so ist. Er hat‘s mir erklärt: Zander kommt bei uns fast immer aus Russland. Und wegen der Sanktionen kommt jetzt eben kein Zander mehr, daher müssen andere Lieferanten einspringen. Was vor allem beim
Zander, aber auch bei anderen Fischen die Preise in die Höhe treibt. Der Zander, den er mir hätte anbieten können, aber nicht wollte, kommt zum Beispiel aus Kasachstan. Ob der Fisch wirklich dort groß geworden ist, oder ob er zur Umgehung der Sanktionen bloß pro forma die Herkunftsbezeichnung dieses mit Russland befreundeten Ein-Parteien-Staats trägt und einige Zwischenhändler daran verdienen, konnte auch mein Fischhändler nur vermuten.
Ich hätte bisher angenommen, dass der Zander aus Österreich oder einem unserer Nachbarländer stammt, denn dieser große Süßwasser-Raubfisch ist bei uns oder auch in Ungarn (Fogosch!) stark verbreitet. Aber nein, so des Fischhändlers Erklärung, die heimischen Bestände sind viel zu gering und werden nach dem Rausfischen sofort regional verkauft, die kommen gar nicht bis zu einem Großhändler oder gar weiter auf einen Wiener Markt. Große Zanderzuchten gibt es bloß im Osten, vor allem in Russland, wo die riesigen Seen dafür genutzt werden. Ich habe dann statt des kasachischen Zanders einen österreichischen Seesaibling genommen. Der hat mit 28 Euro pro Kilo zwar preislich ebenfalls ordentlich angezogen, aber mein Nachhaltigkeitsgewissen war angesichts eines heimischen Fangs mit kurzen Transportwegen und vermuteter österreichischer Qualitätskriterien bei der Aufzucht beruhigt. Mir ist ja auch völlig klar, dass die Wirtschaftssanktionen des Westens gegen ein autoritäres Regime mit Großmachtsambitionen, das gerade dabei ist, ein weiteres Nachbarland um Gebiete zu erleichtern, nicht unbedingt auf meine Essgewohnheiten Rücksicht nehmen können. Und der Seesaibling war wirklich exzellent.
Was ist jetzt die Pointe? Ganz einfach: Ersetzen Sie in obiger
(wahrer) Geschichte einfach das Wort „Zander“ durch „Erdgas“. Aus dem Fischhändler können Sie irgendeinen Energieversorger machen, und ob Sie für Seesaibling Pellets, Biogas oder Solarenergie einsetzen, bleibt Ihnen überlassen. Um im Bild zu bleiben: Wir sitzen energiepolitisch auf einem gasbetriebenen Dampfer, der schwer zu wenden ist, und haben noch viel zu wenige Angeln an Bord, um uns im Notfall selbst versorgen zu können.
Editorial 10/2014
Das Problem mit dem Zander (Fogosch).
- Ein Partner mit Elektroantrieb
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