Der Schriftsteller Peter Turrini wurde im ORF gefragt, ob er die Angst des Autors vor dem weißen Blatt Papier kenne. Also ob er sich manchmal davor fürchtet, dass ihm nichts zum Schreiben einfällt. Im Gegenteil, anwortete Turrini, er empfinde Literatur als Handwerk und nicht als etwas, wo man ängstlich auf eine Erleuchtung warten müsse: „Daher habe ich tiefe Sympathien für andere Handwerker. Und ich habe auch noch nie einen Installateur getroffen, der sagt, er kann eine Heizung nur nach einer Eingebung bauen!“
Der Schriftsteller John Irving gilt als der größte Handwerker unter den Schreibern. Er erzählt gerne, wie er an jedem Wort feilt und schraubt und so lange herumprobiert, bis es genau dort sitzt, wo es hingehört. Darum lesen sich seine Bücher auch leicht, die Sätze fließen wie Wasser in einem perfekt und normgerecht gebauten Trinkwassersystem. Irving ist Amerikaner, hat aber eine zeitlang in Wien gelebt und seither ein Faible für uns, sodass in fast allen seiner Bücher ein Österreich-Bezug vorkommt. Wenn Sie über die Weihnachtsfeiertage Zeit haben, probieren Sie „Die wilde Geschichte vom Wassertrinker“ – da geht es um eine Hauptfigur, die dauernd aufs Klo muss, also quasi auch mit Branchenbezug.
Der Schriftsteller Peter Handke hat mit dem „Versuch über den stillen Ort“ ein ganzes Buch über seine Erlebnisse auf den Toiletten dieser Welt geschrieben. Der früher von mir hochgeschätzte Autor hat durch dieses Werk bewiesen, dass von ihm auch etwas veröffentlicht wird, wenn ihm gar nichts Sinnvolles mehr eingefallen ist. Dass er dann trotz fehlender Eingebung einhundertneun Seiten mit Wörtern füllt ... naja. Badeschwamm drüber.
Der Schriftsteller Robert Musil ist mit seinem Hauptwerk „Der Mann ohne Eigenschaften“ leider nicht fertig geworden. 20 Jahre lang hat er bis zu seinem Tod an diesem Nachruf auf die k.-u.-k-Monarchie gearbeitet, zwei Bände mit mehr als 2.000 Seiten wurden veröffentlicht, tausende weitere Blätter mit Entwürfen für Fortsetzungen hat man im Nachlass gefunden. Sollten Sie das über Weihnachten lesen wollen, viel Spaß – es ist großartig, aber Sie werden Ihren Betriebsurlaub verlängern müssen, wenn Sie auch nur mit dem ersten Band fertig werden wollen.
Musil war ursprünglich Ingenieur und hat auf einer technischen Hochschule gearbeitet, ehe ihn die Eingebung überkam, seinen peniblen Arbeitsstil auf die schönen Künste anzuwenden. Als Dissertation im Fach Maschinenbau schrieb er rund um das Jahr 1900 über „Die Beheizung der Wohnräume mit Kraftmaschinen des Kleingewerbes“. Besitzt zufällig jemand von Ihnen einen Nachdruck dieser längst vergriffenen, aber angeblich hervorragenden Arbeit über den Zentralheizungsbau? Ich würde wirklich gerne lesen, wie ein großer Schriftsteller über Installationstechnik schreibt!
Danke schon mal im Voraus: klaus.paukovits@bohmann.at
Editorial 12/2014
Das Handwerk des Installateurs in der Literatur.
- Elektronische Druck- und Leckmengenmessgeräte
- Vom Angreifen zum Begreifen