Bereits am 19. Mai 2010 hatte das Europäische Parlament eine neue EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden verabschiedet. Diese – für alle 27 Mitgliedsstaaten gültige EU-Gebäuderichtlinie – soll dazu beitragen, die Energieimporte, den Energiebedarf und damit auch die CO2-Emissionen im gesamten EU-Wirtschaftsraum signifikant zu reduzieren.
Vorbild öffentliche Gebäude
Die Gebäuderichtlinie brachte zahlreiche neue Aspekte zur Steigerung der Energie-effizienz. Auf den Punkt gebracht lautet das Ziel, „Niedrigstenergiegebäude“ zu errichten und die dafür erforderlichen Mindestanforderungen einzuhalten. Dabei dienen – seit 31. Dezember 2018 – vor allem neue Gebäude im Eigentum von Behörden als Vorbild. Ein wichtiges Kriterium bei der Planung, Errichtung und dem Betrieb dieser Gebäude ist, stets das Kostenoptimum zu erreichen.
Umsetzung in Österreich
Das Österreichische Institut für Bautechnik – kurz OIB – fungiert als Koordinierungsplattform der neun Bundesländer im Bereich Bauwesen. Das OIB erarbeitet laufend entsprechende Dokumente, so auch für die Umsetzung der Gebäudeeffizienzrichtlinie 2010/31/EU. Durch entsprechende Geset-ze des Bundes und der Bundesländer erfolgt die praktische Anpassung an den geforderten technischen Fortschritt auf den jeweiligen Baustellen. Bei Nichteinhaltung sind auch Sanktionen vorgesehen. In den entsprechenden OIB-Richtlinien sind die Vorgaben betreffend Gebäudekategorien und maximalen Energieverbrauch exakt angegeben. Wird z. B. der Nachweis der Einhaltung der Anforderungen für neu errichtete bzw. generalsanierte Wohngebäude über den Heizenergiebedarf geführt, gilt seit 1. Jänner 2017 ein maximaler Bedarf von 47,6 kWh pro Quadratmeter und Jahr. In Österreich wurden in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um den Energieverbrauch in Gebäuden zu reduzieren. Laut Mikrozenus von Statistik Austria gab es im Jahr 1998 in Österreich 3.151.200 Hauptwohnsitze mit durchschnittlich 89 m2 Wohnfläche. 20 Jahre später, im Jahr 2018, stieg die Zahl von Hauptwohnsitzen auf 3.916.1oo mit durchschnittlich über 100 m2 Wohnnutzfläche.
Fallender Energiebedarf
Alleine der Anstieg von Hauptwohnsitzen lag in dem genannten Zeitraum von 20 Jahren bei über 24 Prozent und der Anstieg von Wohnnutzfläche lag bei über zwölf Prozent. Der Energiebedarf für Raumwärme, Warmwasserbereitung, Beleuchtung und Raumkühlung beträgt rund ein Drittel des gesamten Endenergiebedarfs in Österreich. Die erreichten Effizienzfortschritte sind speziell in diesen Bereichen beachtlich. Die Entwicklung der Heizintensität in Wohngebäuden seit Mitte der 1990er Jahre zeigt, dass, trotz des stetigen Anstiegs von Hauptwohnsitzen und der Wohnnutzfläche, der dafür notwendige Endenergieverbrauch für die Raumwärme in den Jahren 2000 bis 2005 gesenkt und ab dem Jahr 2005 stabilisiert werden konnte.
Standard-Passivhaus
Das Passivhaus ist als Gebäudestandard definiert und ist eine Optimierung des Niedrigenergiehaus-Standards. Das setzt im mitteleuropäischen Klima voraus, dass der Jahresheizwärmebedarf kleiner gleich 15 kWh/m2 und Jahr ist. Ing. Günter Lang, Lang consulting, ist Organisator des passathon – Race For Future. Das Ziel ist, auf sportliche Weise möglichst viele Plusenergiegebäude, Passivhäuser und klimaaktiv-Gold-Gebäude als Leuchtturmprojekte bekannt zu machen.
Herr Ing. Lang, welche Bedeutung hat die EU-Gebäuderichtlinie aus Ihrer Sicht?
Ing. Günter Lang: Die EU-Gebäuderichtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden ist grundsätzlich ein sehr wichtiger und schon längst überfälliger Schritt. Damit sollte eigentlich mit 1. Jänner 2021 EU-weit zum Baustandard werden, was seit über 20 Jahren 1.000-fach nachgewiesen und evaluiert sich bestens bewährt hat und noch dazu in Wahrheit keine nennenswerte Erhöhung der Baukosten verursacht hat, jedoch zu erheblichen Reduktionen der laufenden Betriebskosten führt.
Sind Sie mit der Umsetzung zufrieden?
Lang: Wie so oft hat es der massive Einfluss von Lobbies geschafft, dass diese Richtlinie in jedem Land anders definiert wurde und viele Schlupflöcher offenlässt. So wird das ‚Nahezu-Null-Energie-Haus‘ sich auch weiterhin mit dem bis zu fünfach höheren Energieverbrauch begnügen, als seit 20 Jahren technisch und wirtschaftlich problemlos umsetzbar ist. Beim passathon.at kann heuer 350 Mal in ganz Österreich bestaunt werden, wie einfach und vielfältig sowie verbunden mit hohem Lebenskomfort Klimaschutz im Bausektor realisierbar ist.
Praktische Umsetzung: BIM KR Ing. Michael Mattes, Bundesinnungsmeister der Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker, über die praktischen Auswirkungen der Gebäuderichtline auf die Branche.
Herr Ing. Mattes, wie bewerten Sie die EU-Gebäuderichtlinie?
BIM KR Ing. Michael Mattes: Mit der genannten EU-Verordnung wurde bereits 2010 erkannt, dass im Gebäudebestand mit effizienzsteigernden Maßnahmen ein riesiges Energieeinsparpotenzial liegt. In der Verordnung war die Inspektion der Gebäudetechnik ab 20 kW vorgesehen, was so ziemlich alle Anlagen in Österreich betroffen hätte. Für Aufregung in der Branche sorgte seinerzeit die Ankündigung der Ökodesign-Richtlinie, wobei deren Umsetzung in Österreich genauso fehlt wie die 2010er-Richtlinie.
Wie werden sich die neuen Standards nunmehr auswirken?
Mattes: Der neue Nullenergiestandard im Neubau und Inspektion ab 70 kW trifft leider nur eine sehr geringe Anzahl von Gebäuden und deren Haustechnik, im Gegensatz zur Verordnung aus 2010. Meiner Meinung nach müsste bei uns erst einmal dringend die Verordnung von 2010 umgesetzt und nachgeholt werden. Weiter wäre die Qualifikation zur Inspektion einer haustechnischen Anlage gemäß dem bestehenden Regelwerk ONR 85000 vorzugeben und eine Verpflichtung zur Inspektion als Grundlage für die Erstellung eines Energieausweises im Gebäudebestand einzuführen, was bereits durch ein Gutachten bestätigt wird.
Beispiel Stromproduktion: Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Mattes: Das politisch forcierte Monopolisieren und Schönrechnen von Energieträgern ist abzulehnen. Nach der Erhebung von Statistik Austria hat sich der Stromimport vom Jahr 2000 bis 2018 verdoppelt, was beweist, dass, wie derzeit behauptet, mit im Sommer erzeugtem Strom im Winter nicht elektrisch geheizt werden kann. Der anfallende Überschussstrom im Sommer kann – nur wenn Bedarf besteht – ins Ausland geliefert und bei uns wegen grober Vernachlässigung, nicht zum Erzeugen von speicherbarer, erneuerbarer Energie zwecks leistbarer Verwendung im Altbestand verwendet werden.
Wird die praktische Umsetzung der EU-Richtline Probleme bereiten?
Mattes:Für die Branche – für uns Gebäudetechniker mit geprüften Kenntnissen der Bauphysik und allen Techniken zum effizienten Energieeinsatz sowie der gewohnten „Umsetzung“ in der Vergangenheit – wird die Verordnung kein Problem bereiten.
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