Herr Spitaler, die meisten Menschen haben schon etwas über Barrierefreiheit gehört. Oft wird aber noch immer Unterschiedliches darunter verstanden. Was bedeutet eigentlich Barrierefreiheit, oder sollte man schon besser sagen universelles Design?
Peter Spitaler: Mein favorisierter Begriff ist „universelles Design“ – wir kommen intellektuell besser zurecht, wenn wir das Wort Barrierefreiheit gegen universelles Design tauschen.
Was genau ist mit universellem Design gemeint?
Peter Spitaler: Universelles Design denkt und agiert wesentlich weiter über den Tellerrand hinaus. Es ist ein internationaler Denkansatz, der unter anderem auch den Begriff barrierefreies Bauen inkludiert, aber eben noch vieles mehr. Der Mensch ist das Zentrum für die Designentwicklung und der Maßstab für die Funktion. Das ist deshalb so spannend, da der Mensch sehr divers ist und sich in keine Norm zwängen lässt. Lösungen müssen für alle funktionieren, ob Kind, kognitiv eingeschränkte Person, ältere Person usw. Eben einfach alle. Ziel ist es, für 100% der Menschen Umgebungen und Situationen zu schaffen, in denen sie optimal leben können.
Herr Spitaler, Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese Denkart und das notwendige Wissen darüber zu verbreiten. Wo können also unsere Leser_innen eine Weiterbildung zu diesem Thema machen?
Peter Spitaler: In Kooperation mit Austrian Standards habe ich einen umfassenden Lehrgang entwickelt und immer wieder auf den neuesten Wissensstand gebracht. In Österreich gibt es leider sehr wenige Ausbildungsmöglichkeiten, die sich mit dem Thema Barrierefreiheit so intensiv und fachübergreifend beschäftigen wie in diesem Lehrgang. Einige Universitäten bieten zwar fachspezifische Seminare im Zuge des Studiums an, die ein guter Einstieg zu dem Thema sein können. Das interdisziplinäre Denken bleibt dabei oft auf der Strecke. Der Lehrgang ist für alle Berufsgruppen offen, nur so kann ein übergreifender Dialog stattfinden. Haustechniker_innen diskutieren mit Physiotherapeut_innen, Bautechniker_innen mit Informationsdesigner_innen. Gemeinsam entwickeln sie universelle Lösungen, die die Gesellschaft benötigt.
Das klingt spannend! Was können sich Interessierte denn von dem Lehrgang genau erwarten?
Peter Spitaler: Gemeinsam mit der Unterstützung von 10 Experten versuchen wir zuerst, das Durcheinander an Begriffen zu klären und umfassender zu denken, ohne aber auf bewährtes Wissen zu verzichten. Wir klären, warum universelles Design vielleicht der bessere Weg ist und ob Europa ohnehin schon auf diesen Zug aufgesprungen ist. In insgesamt 56 Lehreinheiten, die meisten davon online, setzen wir uns mit dem Bereich intensiv auseinander. Das beginnt bei rechtlichen Rahmenbedingungen, geht weiter über Themen wie anpassbarer Wohnbau, biegt ab Richtung Sanitärbereiche und endet bei interessanten Designinstrumenten. Ziel des Lehrgangs ist es, möglichst viele Themen vorzustellen, damit die Teilnehmer in weiterer Folge selbst entscheiden können, was sie für ihre tägliche Arbeit benötigen. Auch Künstliche Intelligenz (KI) im Designprozess wird dabei nicht vergessen.