Die deutsche Bundesregierung hat ihr aktualisiertes Klimaschutzgesetz veröffentlicht. Demnach soll insbesondere die Energiewirtschaft eine stärkere Reduktion der CO2-Emissionen schultern und ihre Emissionen bis 2030 auf 108 anstatt bisher 175 Mt CO2-Äquivalente senken. In einer aktuellen Berechnung analysieren die Energiemarkt-Experten von Energy Brainpool, wie das neue Sektorziel erreicht wer-den kann und welche Rolle der Kohleausstieg und der Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) dabei spielt.
Die Hauptergebnisse
Strommarktszenarien zur Zielerreichung: Das neue Sektorziel der Energiewirtschaft für 2030 kann nur durch einen vorgezogenen Kohleausstieg erreicht werden. Die Reduktion der Kohleverstromung bleibt in Bezug auf die Emissionen der mit Abstand größte Hebel. Wird allein der Braunkohleausstieg auf 2029 vorverlegt, muss der avisierte EE-Anteil am Bruttostromverbrauch in 2030 von 65 auf 75 Prozent erhöht werden. Würde auch der Steinkohleausstieg auf 2029 vorgezogen, so ließe sich das energiewirtschaftliche Sektorziel auch mit einem EE-Anteil von 65 Prozent erreichen. Michael Claußner, Expert bei Energy Brainpool, sagt: „Ein niedriger EE-Anteil am Stromverbrauch hemmt Emissionsreduktionen, insbesondere in Sektoren wie Verkehr, Wasserstoff oder Wärme, die an den Strommarkt gekoppelt sind. Denn flexible Verbraucher würden Strom vor allem in den wind- und sonnenreichen Stunden beziehen“. So wäre der Strombezug von Elektroyseuren in 2030 in diesem Fall um 6 Prozent CO2-intensiver als mit 75-prozentigem EE-Anteil.
Versorgungssicherheit: Bei vorgezogenem Braunkohleausstieg sind rund 11 GW, bei vollständig vorgezogenem Kohleausstieg rund 16 GW zusätzliche Flexibilität am Strommarkt notwendig, um die Versor-gungssicherheit zu gewährleisten. Diese Flexibilität kann durch Speichertechnologien, Demand-Side-Management, zusätzliche Gaskraftwerkskapazitäten sowie die Netzreserve bereitgestellt werden. Je höher der Anteil von Speichern oder Demand-Side-Management, desto niedriger sind die Emissionen.
Rolle der Wind- und Solarenergie im Wandel: Die Rolle der Stromerzeuger von Energie aus EE wandelt sich zunehmend: vom Verdränger fossiler Stromerzeugung hin zum Enabler von Emissionseinsparungen
PM: Kohleausstieg nach 2030 zu spät: neue Klimaziele nur durch vorgezogenen Kohleausstieg erreichbar
in gekoppelten Sektoren. In den Zeiträumen, in denen Wind- und Solaranlagen produzieren, bleibt zukünftig immer weniger fossile Reststromerzeugung übrig. Diese könnte durch noch mehr Wind- und Solarzubau verdrängt werden. Stattdessen werden diese Überschüsse zunehmend in anderen Sektoren genutzt (zum Beispiel Verkehr, Wasserstoffproduktion, Wärmebereitstellung) oder exportiert, um fossile Stromerzeuger in Nachbarländern zu verdrängen. So schrumpft der Beitrag des zusätzlichen EE-Ausbaus zum Erreichen des energiewirtschaftlichen Sektorziels bei hohen EE-Anteilen. Stattdessen wächst der Beitrag in anderen Sektoren, um das Ziel zu erreichen. Michael Claußner ergänzt: „Lediglich ein umfangreicher Markthochlauf von Stromspeichern kann den Verdrängungseffekt fossiler Erzeuger durch erneuerbare Energien im Stromsektor aufrechterhalten, in dem die EE-Strommengen in Stunden mit CO2-intensiver Stromerzeugung verlagert werden.“