Wo ist eigentlich die Mitte? Das werde ich jetzt mehr denn je gefragt. Wohl weil die Polarisierungen so dramatisch zunehmen. Weil die Angst um die Existenz umgeht. Weil die Menschen im Getöse der extremen Positionen, der unredlichen Werbebotschaften, der trügerischen Halbwahrheiten, der unglaubwürdigen Wahlkampfparolen das Gefühl für Mitte und Ausgleich verlieren. Das ist unendlich traurig, weil damit die Verführer, Verschleierer und Spalter leichtes Spiel haben. Weil diese in ihren Blasen und Echokammern keinen Widerspruch mehr zu befürchten haben. Weil gleichzeitig ein ungeheures Misstrauen gegenüber veröffentlichten Informationen und Meinungen entstanden ist. Weil einfach den meisten nicht mehr klar ist, welche Bedeutung Qualitätsjournalismus, Wissenschaft, Logik und Bildung haben. Das Ringen um Wahrheit ist eine permanente Aufgabe, der wir uns nicht entziehen dürfen.
Die Extremisten versuchen alle ihre Positionen ständig auszuweiten. Aber es darf nicht sein, dass die Mitte der Gesellschaft von extrem Links und extrem Rechts auf einen Punkt reduziert wird, von dem aus man schon bei leichten Abweichungen entweder mit dem Vorwurf ein „Faschist, Rassist, Nazi“ oder dem Vorwurf ein „Kommunist, Sozialschmarotzer, Gutmensch“ zu sein ausgesetzt ist. Politiker haben leider gelernt, dass man mit Zuspitzung, Aggression und Spaltung, mit „wir gegen die“, mit Feindbildern, mit Verächtlichmachung von Kontrahenten viele für sich begeistern kann. Und die Algorithmen der Social Media- und Datenkonzerne sorgen auch noch dafür, dass polarisierende Meldungen gegenüber ausgleichenden Berichten bevorzugt werden. Bad News dominieren noch immer Good News. Was alles zusammen die Stimmung noch mehr aufheizt und die Mitte zerstört.
Dagegen kämpfen die besonnen Freunde der Mitte. Sie suchen die Mitte zwischen:
- Links & Rechts
- Oben & Unten
- Arm & Reich
- Jung & Alt
- Gebildete & Ungebildete
- Demokratie & Autoritarismus
- West & Ost
- Norden & Süden
usw.
Wir können nur dann die Zerstörung der Menschheit verhindern, wenn wir das Gemeinsame voranstellen, den Ausgleich, die Balance, die Zusammenarbeit suchen. Wenn uns klar wird, dass Menschen keine Chance haben, kreativ, konstruktiv und fair zu agieren, wenn sie in Ihrem eigenen Körper, Geist und der eigenen Seele keine Mitte, keine Balance gefunden haben. Weil wir daher von der individuellen Mitte aus für die familiäre, gruppenmäßige, kommunale, regionale, staatliche und globale Einheit arbeiten müssen.
Und weil so viele Extremisten glauben, dass sie die „Guten“ sind und die jeweils andere „die Bösen“, ist mir klar geworden, dass die Mitte gar nicht beanspruchen darf „gut“ zu sein. Denn sie steht – abwägend – auch zwischen
Gut und Böse
Sie erkennt, prüfend, ehrlich und redlich, dass die Menschheit auch zwischen diesen beiden Polen den Ausgleich zu finden hat. Ist die derzeitige Krisen- und Kriegssituation nicht den beste Beweis dafür? Glauben die „anderen“ nicht auch, dass Sie die Guten sind? Wissen wir nicht alle längst, dass es ein „zu viel des Bösen“ ebenso wie ein „zu viel des Guten“ gibt? Hat Diplomatie, Handeln, Kompromissbereitschaft und Interessenabgleich nicht immer schon die Aufgabe gehabt, Menschen zusammen zu bringen? Das Trennende zu überwinden? Wir dürfen dabei nie so anmaßend sein und dabei weiterhin auf die anderen herabzublicken, sie gering schätzen und ihnen nicht vollständig zuzuhören. Zuzuhören, wie schon vor Jahrtausenden in China die ehrwürdigen „Mandarine“, die Minister der Kaiser, in ihrer Ausbildung lernen mussten jedem Kontrahenten so lange zuzuhören und solange dessen Aussage zu wiederholen, bis diese nicken und sagen „ja, so habe ich das gesagt und gemeint“.
Mitte-Findung nach dem „Mandarin-Prinzip“
Ich bin für Mitte-Findung, Vermittlung und Mediationsprogramme für alle nach dem „Mandarin-Prinzip“: einer Gegenmeinung darf man erst wieder entgegentreten, wenn man die diese wirklich verstanden hat und auch so wiederholen kann, dass deren Vertreter die Wiederholung akzeptieren. Bei uns muss es das Ziel sein, dass alle ihre „Blasen“ zum Platzen bringen, um sich wieder öffnen zu können für ein neues, rundes Miteinander. Dass würde auch zur Stärkung von Gesetzes- und Verwaltungsmöglichkeiten gegen Aggression, Gewalt, Krieg und Terror sowie gegen Parallelgesellschaften führen, in denen unausgewogene, einseitige, egoistische und oft auch patriarchalische Auswüchse praktiziert werden. Es soll zur Objektivierung der Berichterstattung dienen. Zur klaren Trennung von Bericht, Meinung und Werbung in den Medien. Zur Realisierung echter Gewaltentrennung. Wir dürfen uns nicht von wenigen, undemokratischen Mächtigen auf den Status von „Schachfiguren“ reduzieren lassen, auf einen Punkt zwischen den Extremen oder auf einen kleinen Raum zwischen oben und unten.
Wenn wir in Österreich und Europa den Gedanken der Mitte und die Vertreter der Mitte so wie bisher weiter ignorieren und ausbeuten, dann wird der Wohlstand und unser Land zu Grunde gehen. Nur wenn’s der Mitte gut geht, geht’s uns allen gut!
Mehr Informationen unter herzindermitte.at.