(Wie) funktioniert BIM wirklich?

21.12.2017 | News

Wissenschafter und Praktiker diskutierten Anfang Dezember beim IBO-Werkstattgespräch über die Digitalisierung der Baubranche. Je komplexer das Zusammenspiel von Haus- und Bautechnik, von Behaglichkeit und Klimaschutz, von ausführenden Gewerken und Planern, desto mehr greifen wir auf digitale Hilfsmittel zurück. BIM scheint die Königsdisziplin zu sein, aber funktioniert das wirklich?

"Building Information Modeling" (BIM) ist jedenfalls ein heißes Thema in der Baubranche: Die Idee ist, digitale Werkzeuge zu nützen, um Prozesse und die Zusammenarbeit am Bau und in der Nutzungsphase von Gebäuden zu verbessern. In einem Werkstattgespräch des IBO – Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie wurde diskutiert, wie weit BIM in der Praxis etabliert ist und funktioniert. Am Podium diskutierten Vertreter der Baufirma Swietelsky und des Forschungsprojekts "Digitale Gebäudemodelle für nachhaltige Gebäude". "BIM lässt niemanden kalt", konstatiert Cristina Florit vom IBO in ihrer Einleitung. Von begeisterten Vorreitern über Kritiker an der Unausgereiftheit der Systeme bis zu Skeptikern, die sich der Digitalisierung am liebsten gänzlich entziehen möchten, reicht das Spektrum. Was BIM eigentlich ist, ist gar nicht so einfach zu erkennen, angesichts dessen, was alles als BIM verkauft wird. In der Sichtweise der Podiumsteilnehmer ist BIM ein Prozess, basierend auf digitalen Gebäudemodellen in 3D, die laufend mit vielen weiteren Informationen und Eigenschaften "gefüttert" werden: "BIM kann man nicht kaufen, BIM muss man sich hart erarbeiten." Ziel, insbesondere des Forschungsprojekts, ist es, das Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus abzubilden und im Hinblick auf ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit zu optimieren. Ein hinreichend detailliertes BIM-Modell enthält alle Informationen, um z.B. die Umweltwirkungen oder Lebenszykluskosten des Gebäudes abzuschätzen; werden in der Planung Veränderungen vorgenommen, sollen schnell die Auswirkungen sichtbar werden. Die gemeinsame Datenbasis bedeutet dann tatsächlich einen Informationsgewinn. Wem nützt BIM? – "Jedem, der am Bau beteiligt ist", erklärt Hanspeter Schachinger, BIM-Beauftragter bei Swietelsky. BIM diene der gemeinschaftlichen, interdisziplinären Zusammenarbeit; laut seiner Erfahrung könne er allen Akteuren empfehlen, sich mit BIM auseinanderzusetzen und zu versuchen, andere Fachplaner davon zu überzeugen. Zumal in vielen Fällen ohnehin BIM-fähige Softwareprodukte verwendet werden, ohne dass dies den Planern bewusst ist. Seitens der Bauherren ist das Interesse, wenn der Bauherr nicht mit dem Betreiber des Gebäudes ident ist, eher gering. Und bis BIM-Modelle als Datengrundlage für das Facility Management üblich werden, ist es noch ein weiter Weg, trotz existierender BIM2FIM-Lösungen. Wie funktionieren nun die Arbeitsabläufe in einem BIM Prozess? Pia Pöllauer, ebenfalls von der Swietelsky BIM-Stabstelle, zeigte, welche Tools dazu benötigt werden. Bei Swietelsky hat man sich passend zur Firmenstruktur für ein open BIM-System entschieden. Das heißt, dass das offene Format IFC (Industry Foundation Classes) der buildingSMART International verwendet wird, mit dem sich Gebäudedaten in verschiedene Programme übertragen lassen – Software zur CAD-Modellierung ebenso wie für die Gebäudesimulation, das Facility Management und viele weitere Anwendungen. Zusätzlich nützt man Schnittstellen zwischen kommerzieller Modellierungs- und AVA-Software und kann so Leistungsverzeichnisse direkt aus dem 3D-Modell erstellen. Im Forschungsprojekt "Digitale Gebäudemodelle für nachhaltige Gebäude" ist die zentrale Fragestellung die Implementierung von Nachhaltigkeitsbewertungen in BIM-Prozesse. Der Fokus liegt hier auf dem Datenimport und -export über offene Tools in Software zur Gebäudesimulation und Nachhaltigkeitsbewertung. Harald Trinkl (Güssing Energy Technologies) stellt die damit verbundenen Herausforderungen dar, etwa die Komplexität des IFC-Formats mit über 100 Datentypen. Das Projektteam arbeitet mit dem open source BIMserver[2] und ergänzt Daten im BIM-Modell über eine Schnittstelle, den eigens entwickelten "BIMclient". Zum einen können Gebäudedaten in andere Programme eingelesen und weiter verarbeitet werden, etwa um eine Lebenszykluskostenberechnung durchzuführen. Zum anderen werden Ergebnisse, z.B. aus der Gebäudesimulation, wieder eingelesen und im BIM-Modell gespeichert. So können die Werte in Zukunft mit den real erzielten Energieverbrauchsdaten verglichen und die Performance des Gebäudes beurteilt werden. Bei der Frage, wie lange Daten aus BIM-Modellen "halten", herrscht am Podium Zuversicht: Harald Trinkl sieht im offenen IFC-Standard das beste Mittel für langfristige Verfügbarkeit, Hanspeter Schachinger betont, dass IFC-Daten als reine Textdatei öffen- und verarbeitbar bleiben werden. Während des gesamten Lebenszyklus spiegelt sich das Gebäude in einem "digitalen Zwilling" wider, sämtliche Daten und Informationen sind verfügbar und aktuell. Die Digitalisierung ist ein Zukunftsthema, bei dem die Bauwirtschaft im Vergleich zu anderen Branchen einiges aufzuholen hat. Neue Technologien bieten Chancen, die Frage "Wie wird gebaut?" neu zu beantworten und Prozesse zu verbessern. Letztlich liegt es an jedem einzelnen Unternehmer, zu prüfen, wo eine Digitalisierung sinnvoll ist, und Hemmnisse wie fehlende IT-Kenntnisse und die Frage nach der Finanzierung zu überwinden. Das Projekt "Digitale Gebäudemodelle für nachhaltige Gebäude" wird im Rahmen der Strategischen Projekte der ACR – Austrian Cooperative Research gefördert. Das ACR-Netzwerk von 18 Forschungsinstituten bietet angewandte Forschung, Entwicklung & Innovation (FEI), Technologietransfer, Förderberatung, Schulungen und in der gesamten EU anerkanntes hochwertiges Prüfen und Messen, speziell für KMU. Projektpartner sind neben IBO und GET auch das AEE – Institut für Nachhaltige Technologien und das Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung. 

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