(c) Robert Pfeffer/Barbara Fürst
Da glaubt man fahrzeugtechnisch das Meiste eh schon zu kennen und dann stellt Mercedes Benz Österreich dem „Gelben” unverhofft ein Auto für einen Test vor die Tür. Einen Kastenwagen, aha, na schau. Einen mächtigen, 6 m lang, 2,4 m hoch, und breit ist er auch. Nix für die Tiefgarage, da ist beim Vito Schluss. Es ist ein Sprinter, ein eSprinter, der die zukünftige Mobilität in der Transportbranche repräsentiert.


Der Sprinter, eigentlich schon eine Marke für sich, ein Urgestein des dynamischen Transportierens. Er hat 1995 den doch trägen 406 und seine Brüder abgelöst und eine neue Ära eingeläutet. Plötzlich verschwanden die „Lastwagen“ nicht mehr aus dem Rückspiegel und manchmal, kurz nicht aufgepasst, fuhr so eine (leere) Pritsche links an einem vorbei, wo gibt’s den sowas! Da konnten nicht viele mit, den Ducato Turbo Daily habe ich da aus den Sommerferien in Italien noch in Erinnerung, der konnte das auch.
Und der eSprinter kann das jetzt noch besser, wie seit jeher ist der Name auch hier Programm! Es ist kein Geheimnis, die E-Mobilität macht Spaß! Eine „Startverzögerung” wie beim Licht einschalten, kein kaltes, zähes Öl in Motor und Getriebe, der Start verläuft wie bei einem Verbrenner nach Absolvierung der Aufwärmrunde. Und das auch um 6 Uhr früh, bei nasskaltem Wetter, bei einstelliger Außentemperatur. Gleich nach dem Losfahren lässt es sich kaum vermeiden mit einem mehr oder weniger ausgeprägten, zufriedenen Lächeln hinter dem Steuer zu sitzen, egal welche unangenehmen Aufgaben einen eventuell am Ziel erwarten. Dieser geräuschlose, ununterbrochene, vehemente Vortrieb aus dem Stand, was soll man da sagen. Nichts, lächeln genügt!
Den riesigen Laderaum konnte ich nicht ausnutzen, da brauch ich einem Handwerker, Lieferanten, Installateur oder sonstigen Vertreter der Zielgruppe auch nichts erklären. Mathematische Physik: Länge mal Breite mal Höhe, das passt rein, maximal 14 m³. Es gibt zwei Längen und zwei Höhen und verschiedene Nutzlasten (siehe Daten & Fakten). „Unserer“ war ein 3,5-Tonner mit einer Spitzenleistung von 150 kW, es gibt auch die Variante mit 4,25 t HzGG. Mit dem B-Schein darf man ja elektrisch betriebene Kraftfahrzeuge bis 4,25 t lenken. Ein Zugeständnis an die neue Technologie, weil ja der „Tank“ doch um einiges schwerer ist als beim Verbrenner. Mit dem B-Schein durfte man ja schon bisher 4.250 kg bewegen, die letzten 750 kg mussten allerdings die Form eines Anhängers haben.
Was gibt’s zu Meckern? Nicht viel, aber eines schon. Mitten dort, wo normalerweise der Rückspiegel hängt, hat irgendjemand einen riesigen Kasten hingebaut – für eine kleine Kamera, die mit dem Fahrer mitschaut um mitzuhelfen, wenn’s eng wird. Wenn man bedenkt, was für einen Zirkus manch vorbildlicher Prüfer beim „Pickerl” aufführt, wenn im Sichtfeld (= Scheibenwischerfeld) ein winziger Steinschlag vorhanden ist, und wie gefährlich das dann ist, weil die Sicht … . Und da baut einer einen Kasten hin, hinter dem die Sonne verschwindet. Wäre nicht so tragisch, wenn sich nicht auch genau dort dahinter wichtige Verkehrsschilder und Ampeln verstecken würden. Vor allem, wenn man vorne an der Kreuzung steht. Naja, man muss nicht alles verstehen, geht so auch.
Die Reichweite, das lästige Thema bei den Elektroflitzern: Zum Kilometerfressen sind die Stromer (noch) nicht gemacht. Ideales Einsatzrevier ist der urbane Raum mit dem Rundherum. Lademöglichkeiten gibt es mittlerweile zur Genüge. Wenn’s gut läuft, lädt man ganz nebenbei, während man beim Kunden werkelt und erspart sich auch noch Parkgebühren.
In unserem eSprinter war der mittlere Akku mit 81 kWh verbaut, für den eine WLTP-Reichweite von bis zu 329 km angegeben wird. Gut 220 km kann ich jedenfalls bestätigen. In meinem Fall mit Vollgas beziehungsweise Vollstrom, das heißt Tempomat 120 km/h – und geh ma. Allerdings unbeladen.
Ich kann mir vorstellen, dass die nutzbare Reichweite in der Praxis auch mit beladenem Fahrzeug, aber dafür mehr gemütlichem Stadtverkehr doch etwas höher ist. Gerade bei einem Lkw beeinflussen tatsächliches Gewicht, Topographie und Fahrstil die Reichweite sehr stark.

Die drei wählbaren Fahrmodi nennt Mercedes „Comfort“, „Economic“ und „Maximum Range“. Sehr kreativ, intuitiver wäre zum Beispiel „Standard“, „Eco“ und „Eco+“, aber was solls. Eine Wärmepumpe ist erfreulicher Weise fix mit an Bord. Wenn man über Reichweite spricht muss man auch übers Laden reden. Erst beides zusammen entscheidet, wann man das Ziel erreicht. Vorne, hinter dem Stern wird angesteckt, AC (11 kW) und DC (50 kW), oder optional bis 115 kW. Damit ist man gegebenenfalls mit einer schnellen Zwischenladung rasch wieder auf dem Weg und hoffentlich bald am Ziel. Das „große“ Navi hilft einem bei der Routenplanung und legt effizient fest,wann und wo der Fahrer seinen Kaffee und der eSprinter seine nächste Ladung erhält.
Fazit: Der eSprinter führt die Tradition des dSprinters (Diesel) würdig in die Neuzeit. Und bringt einem zum Lächeln, gut so!
