Interview: „Wir müssen uns sputen“ – Familienunternehmer Markus Mann über die Zukunft der Energiebranche

26.02.2025 | Gewerkeübergreifend, News, Slider

Markus Mann ist ein energetischer Überzeugungstäter. Er betrieb bereits 1991 die erste kommerzielle Windkraftanlage in Rheinland-Pfalz und errichtete im Jahr 2001 das erstes großtechnische Holzpelletwerk in Deutschland. Derzeit erwirtschaftet er mit „Erneuerbaren“ und der Unterstützung seiner gut 100 Mitarbeiter einen Jahresumsatz von etwa 110 Mio. Euro. Dieter Last ist seit vielen Jahren als Fachjournalist in der Branche tätig und daher auf „Du und Du“ mit dem „Mann“. Er sprach für uns mit dem Familienunternehmer aus dem Westerwald.

Redaktion: Wie siehst Du aktuell die Chancen für den Energiemittelstand – was wird zukünftig sinnvoll und machbar?

Markus Mann: Für den Mittelstand tun sich immer wieder Nischen auf, um unabhängig von den fossilen Energiekonzernen zu agieren. Es gibt einen gewissen Anteil von Verbrauchern, die lieber vom regionalen Mittelstand bedient werden wollen. Wir sind ja ein gutes Beispiel dafür: 2001 war der Vertrieb von Holzpellets noch ein komplett jungfräuliches Thema. Der Energieträger hat sich seitdem etabliert und immer mehr digitale Handelsplattformen entstehen. Was aber bleibt: Das Produkt muss physisch ausgeliefert werden und hier zählt der Service. Bei Gas und Strom ist es schwieriger, den Unterschied herauszustellen. Da zählt in der Vergleichbarkeit am Ende nur noch der Preis.

Redaktion: Aber die Mann Energie liefert ja auch Öko-Strom.

Markus Mann: Ja, deshalb erleben wir das in unserem Grünstromvertrieb etwas anders. Mir sagte mal ein Kunde: „Ojo Markus, ich hatte jetzt mal Strom von Dir, das war direkt was Anderes!“. Die Aussage war natürlich nicht ernst gemeint. Aber es ist für uns enorm wichtig, dem Kunden den Nachweis zu bringen, dass der Strom aus einer vorzeigbaren Quelle stammt und es sich nicht um Greenwashing handelt. Hier muss man über lange Zeit Vertrauen aufbauen. Gleichzeitig sollten man so viel wie möglich selbst erledigen und sich nicht auf irgendwelche Servicebüros von Dienstleistern verlassen.

9.000 Tonnen Lagerkapazität für Holzpellets lagern bei Mann Naturenergie – das entspricht gut einem Fünftel der Jahresproduktionsmenge.

Redaktion: Was ist deiner Meinung nach notwendig, um das Geschäftsfeld „Erneuerbare“ weiter aufzubauen?

Markus Mann: Man muss als Energieanbieter für das Thema brennen und die Verbraucher ehrlich begeistern. Nicht nur einfach noch ein trendiges Produkt dazubuchen. Außerdem sollte die Fertigungstiefe so groß wie möglich sein. Wir haben beispielsweise im Bioenergiebereich die ganze Wertschöpfungskette erschlossen. Vom runden Stamm aus dem Wald erzeugen wir Bretter und Kanthölzer. Aus dem Nebenprodukt (Hackschnitzel und Späne) die Holzpellets, die wir mit eigenen Fahrzeugen zum Kunden bringen. Wo keine Pellets sondern einfach nur Wärme benötigt wird, betreiben wir sogar CO2-neutrale Contracting-Modelle.

Darüber hinaus veräußern wir ca. 200 GWh Ökostrom pro Jahr. Neben den eigenen Erzeugungskapazitäten handeln wir den Strom über PPA-Verträge von regionalen Post-EEG-Anlagen und bedienen damit ein breites Kundenklientel. Alles über einen eigenen Strombilanzkreis an der Börse. Immerhin sieben von unseren 12 LKW’s werden derzeit elektrisch angetrieben. Wir sind also echte Überzeugungstäter – das überzeugt die Menschen und dann machen sie auch mit.

Wie schätzt Du die derzeitigen politischen Rahmenbedingungen für eine Energiewende ein?

Markus Mann: Schlecht! Wir haben leider keine klare Linie in Österreich und Deutschland und uns fehlt eine verlässliche Planbarkeit. Zudem werden marktwirtschaftliche Möglichkeiten nur unzureichend genutzt. Anstelle von ständigen Subventionen, sollte es eine Gebühr für den unsichtbaren fossilen Abfall regeln! Der CO2 Preis! So wurde in der Schweiz im Jahr 2000 eine CO2 Steuer beschlossen, die ab dem Jahr 2010 startete und bis zum Jahr 2020 auf 125 Fr./Tonne gestiegen ist. So ein Konzept bietet Planungssicherheit für alle Beteiligten.

Erkenntnisgewinn garantiert: Markus Mann moderiert regelmäßig Führungen auf seinem Firmen-Gelände im Oberwesterwald.

Redaktion: Was müsste sich also grundsätzlich ändern?

Markus Mann: Wenn wir die Lebensgrundlagen für kommende Generationen erhalten wollen, müssen wir uns sputen. Wir brauchen deshalb eine zeitnahe Energiewende mit vereinfachen Zulassungsverfahren, Bürokratieabbau und einer nachvollziehbaren CO₂-Bepreisung. Dazu muss man die Stromnetzbetreiber an die kurze Leine nehmen, bidirektionales Laden bei E-Autos sowie intelligente Stromnetze und Smart-Homes schnell zulassen bzw. gezielt fördern.

Redaktion: Wie rechnen sich Deine Projekte wirtschaftlich – wie wird die Zukunft aussehen?

Markus Mann: In den letzten 34 Jahren habe ich schon oft am Abgrund gestanden. Bei Familienunternehmern ist es aber so, dass die Chefs (m/w) ja nicht wegkönnen. Die müssen irgendwie den Karren aus dem Dreck ziehen – das habe ich auch üben müssen. Für die Zukunft sehe ich eine sehr gute und dynamische Entwicklung im Batteriemarkt. Man muss ja irgendwie die Sonne vom Tag in die Nacht bringen und das wird mit Ladeparks an den Standorten gelingen, wo tagsüber die Fahrzeuge stehen. Ein Auto ist ja in dem Sinne kein Fahrzeug, sondern zu >90 % ein Stehzeug. Soll das Vehikel doch etwas tun à la V2G = Vehicle to Grid, ist hier der Fachbegriff. Die Fahrzeugführer nehmen dann den Strom am Abend mit heim und versorgen sich damit. Ein kleines Rechenbeispiel dazu: Wenn nur 1 Mio. von 48 Mio. PKW gleichzeitig an einer 11 KW-Wallbox hängen, ist das die Leistung von etwa 11 GW, die aufgenommen und auch abgegeben werden kann. 11 GW entsprechen der Leistung von etwa 8 – 10 Atomkraftwerken.

Eines der elektrisch angetriebenen Silo-Fahrzeuge.

Redaktion: Wo siehst Du die wichtigsten Potenziale im Energiesektor?

Markus Mann: Da sehe ich drei Teilbereiche:

  1. Photovoltaik und Windkraft sind die Lastenesel der Energiewende, die Kombination mit moderner Batterietechnik und den oben beschrieben V2G wird enormes Potenzial entfalten. Außerdem schlummern in Deutschland Notstromaggregate mit einer Leistung von ca. 6-7 GW in den Kellern von Verwaltung und Industrie herum. Diese Kapazität lässt sich größtenteils intelligent zur Stabilisierung des Stromnetzes einbinden. Das wäre erheblich kostengünstiger als der Bau neuer Gaskraftwerke, die als Back-Up dann mit dem grünen Schleifchen „Wasserstoff-Ready“ installiert werden.
  2. Holz/Pellets werden eine Nische bleiben, sind aber unabdingbar für die zeitnahe und regionale Energiewende. Holz ist gespeicherte Sonnenenergie. Wenn die dunklen Tage übers Land kommen, müssen wir mit der gespeicherten Sonnenenergie heizen und nicht den dann knappen Strom in der Wärmepumpe verballern. Wir haben ein heimisches nachhaltiges Potenzial von ca. 15 Mio. Tonnen Holzpellets. (Zur Info: 76 % des in Deutschland verbrauchten WC-Papiers stammt aus Frischfaser und nicht aus Altpapier! Dann kann Holz gar nicht so knapp sein, würde ich behaupten). Fünfzehn Mio. Tonnen sind ca. 75 TWh, die man gezielt einsetzen kann, um Strom für Wärmepumpen zu ersetzen.  Das entspricht bei 1.000 Volllaststunden immerhin eine Leistung von 75 GW.
  3. HVO & Co. brauchen wir vermutlich noch ziemlich viel für Sonderanwendungen wie bei Feuerwehren, Notstrom und Großmaschinen. HVO in Verbrennungsmotoren auf der Straße als Massenprodukt im PKW/LKW mit einem Nutzungsgrad von 30 bis 35 % zu verbrennen, kann auf Dauer nicht zielführend sein. Unsere 40-Tonner E-LKW sind im Übrigen seit Herbst 2022 erfolgreich im täglichen Einsatz.

Redaktion: Wir bedanken uns für das Gespräch und den damit verbundenen Erkenntnisgewinn.

Das Gespräch führte Dieter Last für uns.

Lesen Sie das Interview auch in der Ausgabe 03/20255.

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