So mancher meinte, dass dieses Jahr vom 26. bis 30. September die Cersaie-Messe wohl das letzte Mal stattfinden würde, denn die Keramikbranche sei hilflos überfordert und dem Anstieg der Energiekosten nicht gewachsen. Manche Firmen hätten schon schließen müssen, andere würden kurz davorstehen. Das Paradoxe daran ist allerdings, dass viele Unternehmen sich vor Bestellungen nicht mehr retten können, aber die Produktion zu kostspielig geworden ist und die Fliesen nicht mehr hergestellt und ausgeliefert werden können. Demzufolge hielten sich auch meine Erwartungen in Grenzen. Wie würde sich die derzeitige Energiekrise auf die Messe auswirken? Würden überhaupt Besucher nach Bologna kommen? Und wie sollte das Messeangebot aussehen, würden man überhaupt Neuheiten sehen?
Freudiger Weise durfte ich schon nach wenigen Minuten auf dem Messegelände feststellen, dass meine Befürchtungen fehl am Platz waren. Es schien nicht nur angenehm die Sonne, auch auf der ausgebuchten Messe mit 15 Hallen und 623 Ausstellern gab es viel zu entdecken. In der ersten Halle, die ich betrat, entdeckte ich sofort ein Produkt, das ich nicht erwartet hatte: eine Keramikkochplatte bei ABK Group, auf der ein spanischer Koch gekonnt seine Künste zur Schau stellte. Dabei war das Induktionsfeld so dezent integriert, dass man glauben könnte, es handle sich bloß um einen heißen Stein. In der nächsten Halle stieß ich dann auf den großen Messestand von Flaminia. Wie alle Jahre war auch dieses Mal die Präsentation der Produkte aufsehenerregend inszeniert. Lake Flaminia lautete das von Giulio Cappellini kuratierte Szenarium, das sich, so wie der Name schon sagt, wie ein See mit zahlreichen verschiedenen Keramikteilen als Inseln präsentierte. Flaminia war mit neuen Varianten seiner Keramiksanitärkollektion sowie mit den neuen Farben Uva (Weintraube) und Menta (Minze) vertreten. Die Messe sei nach wie vor wichtig für das Unternehmen aus Viterbo und was die Produktionskosten betrifft, die würden sich momentan noch in Grenzen halten. Wie es in Zukunft mit den Energiekosten weitergehen würde, darüber wollten sich die Aussteller nicht gerne unterhalten. Momentan wäre alles noch unter Kontrolle und man sei froh, wieder in Bologna ausstellen zu können. Letztes Jahr war kurz nach der Messe wieder ein Lockdown ausgerufen worden. Dieses Jahr wollte man weder von Covid noch von Krieg etwas hören. Die Messe zeigte sich durch und durch positiv. Das Leitmotiv war dieses Jahr Nachhaltigkeit und das Motto der Badezimmerfirmen lautete Farbe, Farbe, Farbe. Bei Simas konnte man sich beinahe nicht satt sehen. Da standen viele abgerundete, sympathische Waschbecken in zahlreichen bunten Farben. Diese neuen, von Terri Pecora entworfenen, Waschbecken machten den Messestand zu einem derart farbenfrohen Ort, dass man einfach stehen bleiben musste und beim Anblick Optimismus versprühte. Farben gab es schließlich auch dort zu sehen, wo man sie am wenigsten vermutete. Ideagroup, bekannt für seine eleganten, linearen Badezimmermöbel, war dieses Jahr auf der Cersaie nicht nur mit dem Restyling der beiden Kollektionen Dogma und Dolce Vita vertreten, die mit fünf neuen Oberflächen in Eiche zu sehen waren, sondern präsentierte auch sechs neue Farben, darunter Purpurrot, Grün und Blau. Die Formsprache blieb weiterhin minimalistisch, aber die Farben erlaubten plötzlich eine sorgenlose Verspieltheit. Irgendwie schien es, als würden die Badezimmerhersteller mit Farben Zeichen gegen die Zukunftsängste und gegen die zu hohen Produktionskosten setzen. Obwohl man derzeit die Probleme in Verbindung mit den Energiepreisen nicht mehr leugnen kann, bekam ich in Bologna ein durch und durch positives Messe-Event zu sehen. Die Anzahl der Besucher lag mit 91.296 deutlich über der vom letzten Jahr und nur leicht unter der vom Jahr 2019 vor der Pandemie.
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