Sie kennen sicher das Märchen von den Potemkinschen Dörfern. Ein russischer Gouverneur soll anlässlich des Besuchs der Zarin bemalte Kulissen entlang ihres Weges aufgestellt haben, damit sie glaubt, es seien schon die versprochenen neuen Siedlungen. Daran muss ich immer denken, wenn ich am Tag vor dem Beginn einer Messe durch die Hallen gehe. Da wird rundherum noch an Messeständen gehämmert, geschraubt und gesägt, die am nächsten Tag in der Früh bei Eröffnung so pipifein dastehen, als wären sie für die Ewigkeit gebaut.
Das ist natürlich nicht so. Ein Fachbesucher lässt sich nicht so leicht täuschen wie eine Zarin. Dass die Ausstellungen auf der Energiesparmesse in Wels oder der ISH Frankfurt nur ein paar Tage stehen bleiben, weiß ohnehin jeder. Vorgegaukelt wird weniger mit dem optischen Schein, als viel mehr mit Worten. Natürlich sagte auch heuer jedes Unternehmen von sich, dass es über dem Marktdurchschnitt gewachsen sei. Natürlich war jedes neu vorgestellte Produkt ein Meilenstein, und natürlich trägt jede Innovation den Installateur auf Siebenmeilenstiefeln von Erfolg zu Erfolg ... ein bisschen Getrommel gehört dazu. Was tatsächlich einen Mehrwert bringt und was wieder in der Versenkung verschwindet, das regelt dann ohnehin der Markt.
Sie kennen sicher auch das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Da verkaufen zwei Betrüger dem Herrscher ein Gewand unter dem Vorwand, nur jene könnten es sehen, die klug und würdig genug dafür sind. Und so spielt der ganze Hofstaat mit, weil sich niemand zuzugeben traut, dass er in Wahrheit gar nichts sieht. Bis ein Kind ausspricht, was alle wissen: „Der König ist ja nackt!“
Ehrlich gesagt, ich habe auch diesmal wieder auf beiden Messen nach Potemkinschen Dörfern, betrügerischen Schneidern und nackten Kaisern Ausschau gehalten. Ich hab aber keine gesehen. Hie und da hat sich jemand ein wenig aufgeblasen, da und dort war mehr Schein als Sein – aber im Großen und Ganzen habe ich vor allem ehrliches Bemühen um kleine und mittlere Verbesserungen in einem technisch sehr hochstehenden Markt gesehen.
Es gibt in der Branche keine Kaiser und keine Zaren mehr und schon gar keine Untertanen. Sondern Geschäftspartner, die aufeinander angewiesen sind. Und wer da mehr blendet als arbeitet, der fällt bei der nächsten Baustelle garantiert auf die Nase. Oder spätestens bei der übernächsten. Der Partner sucht sich dann jemand neuen, auf den er sich besser verlassen kann. Darum bin ich nach den heurigen Messen zuversichtlich, dass es die Installationsbranche auch übermorgen noch geben wird – weil wir nicht in einer Märchenwelt leben, sondern in einer Welt, in der richtig gearbeitet wird – zum Glück!
Mehr lesenswertes in der aktuellen Ausgabe 4/2015!
Editorial 4/15
Die Suche nach Potemkinschen Dörfern und nackten Kaisern.
- Besser ein Fahrzeug zu wenig als eines zu viel
- 9. Sommerfest der Wiener Installateure