Keramik - der älteste Werkstoff der Menschheit. Faszinierend in Bezug auf Haptik, Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten. Internationale Architekten realisieren damit mittlerweile Dinge, die noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen wären. Das weiß niemand besser als Martin Bechthold, Professor of Architectural Technology der Harvard University, der auf Einladung von Laufen im Rahmen einer internationalen Konferenz des American Institute of Architects zu Architekten, Architekturstudenten, -journalisten und Gästen des AIA sprach. Die Grundlage seines englischsprachigen Vortrags zum Thema "Ceramics: Innovative Material System for Advanced Architecture" bildet sein Buch "Ceramic Material Systems in Architecture and Interior Design", das soeben im Birkhäuser-Verlag erschienen ist und in Zusammenarbeit mit Anthony Kane und Nathan King entstand. "Der Einsatz von Keramik in der Architektur beschränkte sich lange Zeit auf die Dekorierung von Oberflächen. Innovationen bei Materialtechnologie, Produktionsmethoden und Montagesystemen erlauben heute die Kombination der emotionalen Attraktivität des Materials mit neuer Funktionalität. Keramische Materialien entwickeln sich zu Gesamtlösungen für Fassaden, Dächer und Innenwände", so Bechthold.
Architektur-Keramik, mehr als Oberflächen-Dekoration
Die heute verwendeten, präzise abgestimmten Tonmischungen lassen sich unter Einsatz computergesteuerter Brennöfen nämlich so anpassen, dass das Werkstoffverhalten genau den jeweiligen Anforderungen entspricht. "Unflexible Systeme der industriellen Massenfertigung werden ergänzt durch Hersteller, die bei der Entwicklung individueller Lösungen für Gebäude eng mit Architekten zusammenarbeiten. Projektspezifische Planungen keramischer Bauteile werden zunehmend durch digitale Werkzeuge gestützt, die den gesamten Lebenszyklus des Materials erfassen – von der Fertigung bis zur teilwiese robotischen Montage", schreibt Bechthold im Vorwort seines Buches. Auch die Glasurtechnologie gehört dabei stets zu den zukunftsweisendsten Aspekten von Keramikelementen. Diese Tradition setzt sich mit modernen Errungenschaften wie Glasuren mit selbstreinigender oder schadstoffreduzierender Wirkung fort.
Performative Keramik
Diese Systeme bestehen aus Keramikelementen, die in einer eigenen Schicht angeordnet sind und mit ihrem Umfeld auf neue, performative Weise interagieren. Mit solchen Elementen lässt sich heute die Übertragung von Feuchtigkeit, Wärme oder Schall gezielt steuern. Zudem dienen sie der Pufferung und Modulation des Tageslichteinfalls. Diese Entwicklungen bieten Architekten und Planern heute neue Chancen, ästhetisch ansprechende Keramiksysteme zu entwerfen, die sowohl konstruktiv als auch in Bezug auf die Umwelt eine aktive Funktion übernehmen und weit über die allgegenwärtige Fliese als Lösung für wasserbeständige, langlebige Oberflächen hinausgehen. "Keramische Materialsysteme umfassen das gesamte 'Ökosystem': von der Rohstoffgewinnung und -aufbereitung über die Produktion und Montage von Elementen bis hin zu ihrer letztlichen Wiederverwendung oder ihrem Recycling. Die Architektur-Keramik spielte lange nur eine untergeordnete Rolle, präsentiert sich aber heute zunehmend in der modernen Bau- und Entwurfskultur", resümiert Bechthold. Im Zuge seines Vortrags präsentiert der ausgewiesene Keramik-Experte auch inspirierende Arbeiten der besten Beispiele aktueller keramischer Systeme und die vielversprechendsten neuen Entwicklungen und Forschungen, die wohl die Zukunft von keramischen Elementen und Prozessen prägen werden.