Sie sind jetzt seit etwas mehr als anderthalb Jahren bei Duravit. Welche Ihrer Vorstellungen hat sich bisher bestätigt und welche Vermutung wurde komplett widerlegt?
Stephan Tahy: Ich bin positiv überrascht, wie dynamisch dieses Unternehmen ist. Obwohl oder wie ich jetzt weiß, gerade weil unsere Wurzeln auf Tradition und Handwerk beruhen, haben wir großes Potenzial für die Zukunft. Die Mitarbeitenden haben viele Ideen und sind offen für Neues. Um nur ein Beispiel zu nennen: Franziska Wülker, Head of Research & Development hat in einem Wettbewerb, neben ihrer normalen Tätigkeit für Duravit, eine Weltraumtoilette entwickelt und dafür von der US-Raumfahrtbehörde NASA als einzige Einzelperson unter mehreren amerikanischen Teams einen Preis erhalten. Das „Lunar Loo“ funktioniert sowohl in der Schwerelosigkeit als auch auf dem Mond.
Unsere Produkte sind auf den ersten Blick reine Gebrauchsgegenstände. Wer genauer hinschaut, entdeckt jedoch, wieviel mehr sich diese Marke und dieses Unternehmen aus sich selbst heraus entwickelt – aus den Produkten, den Materialien und den Menschen. Das Unternehmen Duravit steht für Design, für Handwerkskunst, für Langlebigkeit und für Exzellenz.
Was sind Ihre Ziele mit Duravit und wie wollen Sie diese erreichen?
Tahy: Mein Ziel ist es, die Duravit in die Zukunft zu führen und dauerhaft erfolgreich zu machen. Um das zu schaffen, gilt es beispielsweise bestehende Absatzmärkte mit großem Wachstumspotenzial wie Europa, China und den USA weiter auszubauen und zu erobern. Dabei sehe ich dieses Unternehmen auch in zehn Jahren als eine starke Marke mit traditionellen Produkten. Produkte, die weiterhin höchste Qualitäts- und Designansprüche erfüllen und von Experten verbaut werden. Ergänzend vorstellbar sind für mich in der Zukunft dabei durchaus auch Add-ons wie smarte Services etwa zur Gesundheit.
Mit der Akquisition der Marke Bernstein und des ‚Bernstein-Badshops‘ haben wir das pandemiebedingt deutlich höhere Bedürfnis nach Online-Shopping erfüllt. Gleichwohl bleibt innerhalb der zwei Markenstrategie unser Ankerpunkt mit der Marke Duravit weiterhin der klassische Vertrieb mit der einzigartigen Beratungskompetenz des Groß- und Fachhandels. Denn das Unternehmen in die Zukunft zu führen, heißt zwar mutig, auch mal unkonventionelle Mittel zu wählen, aber gleichzeitig, Bewährtes zu bewahren.
Welche Rolle spielt die Belegschaft bei Ihren ambitionierten Plänen?
Tahy: Für mich stehen die Mitarbeitenden ganz klar im Fokus. Und die sind massiven Veränderungen unterworfen, vor allem was das hybride Arbeiten betrifft. Mein Job ist es, ihnen die volle Entfaltung zu ermöglichen, eine Vision aufzuzeigen und sie damit in die Zukunft zu begleiten. Wir schaffen die Rahmenbedingungen, um dort, wo es möglich ist, auch nach der Corona-Pandemie eine Hybridform aus Homeoffice und Büroarbeit umzusetzen. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. Das schafft zwar mehr Flexibilität für unsere Mitarbeitenden, allerdings ist hier zeitgleich ihre Eigenverantwortung gefragt, um eine gesunde Balance zu wahren. Wir als Arbeitgebende hingegen sind gefragt, uns stärker zu kümmern und Mitarbeitende stärker zu unterstützen und zu fördern.
Ich pflege nach Möglichkeit zu allen Mitarbeitenden einen direkten Kontakt. Besonders wichtig ist mir ein enger Austausch mit den Mitarbeitenden in der Produktion. Denn genau dort entstehen unsere Produkte, der Kern unserer Marke. Dabei ist es egal, ob ich mir unseren eher traditionellen Stammsitz in Hornberg oder unser vollautomatisiertes Werk in China anschaue – den Unterscheid machen die Menschen mit ihrem seit Jahrzehnten weitergegebenen Knowhow und ihrer Passion. Um noch genauer hinhören zu können, haben wir das Format „Auf ein Wort mit“ ins Leben gerufen und die Mitarbeitenden gebeten, sich mit ihren Fragen und Wünschen direkt an mich zu wenden. Ich will wissen, wo der Schuh drückt und in den direkten Austausch gehen.
Sie möchten bis 2045 klimaneutral werden. Warum?
Tahy: Nachhaltigkeit ist mir sehr wichtig. Zum einen, weil ich bei diesem Thema unsere gesamte Gesellschaft in der Verantwortung sehe. Da nehme ich uns als Unternehmen nicht aus. Und zum anderen auch, weil Nachhaltigkeit – insbesondere für junge Kundschaft – ein elementarer Aspekt in der Kaufentscheidung ist. Also arbeiten wir permanent daran, den Ressourcen- und Rohstoffverbrauch ebenso wie die Emissionen so gering wie möglich zu halten, und gleichzeitig unserer sozialen Verantwortung global und regional nachzukommen: In der Produktion in Hornberg kommt ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz. Schon heute bereiten wir Wasser aus der Produktion auf und verwenden es erneut. Darüber hinaus stehen wir für eine Local for Locals Production, um so aufwendige Transportwege zu minimieren. Das reicht mir aber nicht! Deswegen haben wir uns Unterstützung von Porsche Consulting geholt. Gemeinsam erarbeiten wir eine konkrete Nachhaltigkeitsstrategie, mit der wir bis 2045 ausschließlich klimaneutral handeln werden. Das ist ein langer Weg, denn die Produktion unseres Basismaterials Keramik ist energieintensiv. Wir müssen also große technologische Umstellungen vornehmen. Außerdem werden wir uns nicht allein auf die Kompensation von CO2-Emissionen verlassen. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, um nachhaltig zu produzierten, sind also enorm. Aber wir wollen das dennoch schaffen – nicht nur für uns, sondern vor allem für die nächsten Generationen.
Was kann ein gestandener CEO von jungen Unternehmen und Startups lernen?
Tahy: Wir können uns bei Startups Vieles abschauen, etwa was New Work betrifft. Aber auch agiles Vorgehen wird immer wichtiger, nicht nur in IT-Unternehmen. Für uns geht es darum, nicht zu lange zu planen, sondern einfach mal zu machen und dann gegebenenfalls nachzujustieren. Crossfunktionales Arbeiten hat für uns bei Duravit viel Potenzial, deshalb fördern wir es bereits durch entsprechende Maßnahmen und Projekte wie etwa unsere Nachhaltigkeitsstrategie. Dabei unterstützt uns der Austausch mit Dritten, wie wir ihn beispielsweise als Mitglied im Maschinenraum führen, stets den Blick über den Tellerrand zu bewahren. Wir wollen künftig noch häufiger unverkrampft und mutig neue Wege gehen, uns auf Neues einlassen, voneinander lernen und mehr im Team zusammenarbeiten. Natürlich ist nicht alles eins zu eins von der Startup-Mentalität übertragbar auf ein Unternehmen wie Duravit. Es ist trotzdem immer höchst inspirierend. Aus diesem Grund bin ich beispielsweise auch ein Beiratsmitglied bei FrontNow, einem Startup, das Handelspartner für Food-Startups finden möchte. Das ist eine absolute Win-Win-Situation, die Newcomer profitieren von der Erfahrung verschiedener Unternehmenslenker. Wir dagegen lernen das modernste, digitale Arbeiten kennen und vor allem bekommen wir so Kontakt zu verschiedenen wirklich interessanten jungen Unternehmerpersönlichkeiten. Inhaltlich ist vom allgemeinen Austausch über Themen wie New Work bis hin zu ganz konkreten Kooperationen und Übernahmen von interessanten Technologien und Produkten alles dabei.