Die Energiewende mit dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern bedeutet langfristig auch das Ende für Erdgas, das in der Energielandschaft bis heute eine tragende Säule der Versorgungssicherheit darstellt. Die Umstellung auf erneuerbare Energien wie Windenergie, Photovoltaik und Wasserkraft birgt indes ein schwerwiegendes Problem in sich: Da deren Erzeugung in hohem Maße vom Wetter und anderen naturgegebenen Faktoren abhängig ist, lässt sich eine gesicherte, zuverlässige und leistbare Energieversorgung nicht allein auf diesen alternativen Quellen aufbauen. Besonders in Perioden mit hohem Energiebedarf (in den Wintermonaten) kann die Produktion die Nachfrage nicht decken, während (in den Sommermonaten) erzielte Stromüberschüsse sich nicht in ausreichenden Mengen speichern lassen.
Als realistische, rasch umsetzbare und wirtschaftlich vertretbare Lösung dieses Problems bietet sich Grünes Gas und die Nutzung der bestehenden Gasinfrastruktur an. Überschüssiger Strom aus den volatilen erneuerbaren Quellen kann mittels Elektrolyseverfahren zur Erzeugung von Wasserstoff verwendet werden und als solcher – oder in einem weiteren Schritt zu Methan umgewandelt – in das Gasnetz eingespeist werden. Infolge dieser Sektorkopplung stehen der aus erneuerbaren Quellen gewonnenen Energie die weitverzweigten Verteilnetze und die enormen Speicherkapazitäten der Gasinfrastruktur zur Verfügung. Neben diesen Herausforderungen in der Produktion von Energie stehen am anderen Ende der Wertschöpfungskette die Verbraucher, insbesondere Gewerbe und Industrie. Viele Prozesse, welche heute mit fossilem Gas, Öl oder Kohle angetrieben werden, sind aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nur schwer oder gar nicht elektrifizierbar. Hier ist also auch aus Verbrauchersicht ein gasförmiger Energieträger notwendig, dieser muss jedoch in Zukunft grün sein.
Auch für den Raumwärmemarkt gibt es große Herausforderungen in der Transformation zu klimaneutralen Energieträgern. Heizsysteme im Bestand benötigen oft hohe Temperaturen, um Gebäude ausreichend mit Wärme zu versorgen. Hierfür bietet Grünes Gas eine einfache Lösung. So sieht auch der aktuelle Entwurf des erneuerbaren Wärmegesetzes vor, dass Gasheizungen im Gebäudebestand über 2040 hinaus in Betrieb bleiben dürfen, sofern sie mit erneuerbarem Gas (z. B. Biomethan) betrieben werden.
Auf dem Weg zum Grünen Gas
Die ÖVGW unterstützt die Transformation unseres fossilen Gas-Systems hin zu einem klimaneutralen Grünen Gassystem mit Forschungsaktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Der nun veröffentlichte Forschungsbericht 2021 fasst die aktuellen Ergebnisse zusammen.
BIM Stv. Franz D. Schnöller
Die sich häufenden Stromausfälle in der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass die alleinige Konzentrierung auf Strom – im Besonderen im Hinblick auf die Heizungs- und Warmwasserversorgung – nicht zielführend sein kann. Dementsprechend wird ein gewisser Energiemix aus verschiedenen Quellen notwendig werden, und das wird sich ohne Gas vor allem bei bestehenden Anlagen in Ballungszentren nicht ausgehen. Zudem gibt es für die Gasversorgung schon ein bestehendes und dank der ÖVGW-Instandhaltungsrichtlinien sowie der Gasgesetze in gutem Zustand befindliches Leitungsnetz. Momentan wird die Forcierung von Grünem Gas von der Politik leider weitgehend gedämpft – es bleibt zu hoffen, dass in diesem Zusammenhang ein baldiger Umdenkungsprozess stattfindet und endlich die „richtigen Experten“ zu Wort kommen.
BIM Manfred Denk
Der jährliche Gasverbrauch in Österreich (87 TWh) und der Stromverbrauch (ca. 70 TWh) zeigen uns die Relevanz von Gas in der heimischen Energieversorgung. Die vorhandenen Gasspeicher haben eine Kapazität von 95 TWh. In Zukunft ist Grünes Gas gut speicher- und gut transportierbar – die Infrastruktur ist vorhanden, und es wäre Nonsens, dieses Volksvermögen zu vernichten bzw. komplett auf eine andere Energieversorgung umzustellen. Wenn wir alle Kräfte bündeln, wird es uns gelingen, aus Grünem Wasserstoff und Kohlenstoff grünes Methan zu erzeugen, welches mit bereits vorhandenen Gasgeräten einwandfrei und sicher sowohl für die ca. 900.000 heimischen Gasheizungen als auch für Gewerbe und Industrie einsetzbar ist. Es ist höchste Zeit, diese Entwicklung voranzutreiben – auch weil dieser Energieträger eine hohe Akzeptanz haben wird.
BIM Stv. Anton Berger
Den Weg zum Grünen Gas in großen, zügigen Schritten zu gehen, ist sicherlich die richtige Richtung. Daß der Weg nicht einfach und auch wohl nicht „billig“ wird, ist uns bewusst. Aber die Lösung besteht aus vielen kleinen Mosaiksteinen – die dann ein sich ständig änderndes Gesamtbild ergeben. Auch die Biomasse wird hier eine zentrale Rolle spielen. Ebenso wesentlich sind die Solarthermie und die Bereiche der alternativen Stromerzeugung. Jeder noch so kleine Beitrag ist für die Gesamtbilanz wesentlich – deshalb ist Technologiefreiheit von immenser Bedeutung für Forschung und Entwicklung. Wenn Profit nicht als oberste Prämisse gesehen wird, dann, glaube ich, sind wir allein in Österreich von so vielen kreativen Köpfen gesegnet, dass uns zu dieser Aufgabe viele Lösungen einfallen werden.
Lesen Sie den vollständigen Artikel ab Seite 66 der aktuellen Ausgabe 7-8a/2022 oder am AustriaKiosk!
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