Klima-Lüftung

Corona: Klimaanlage lieber an oder aus?

FH Münster/Maxi Krähling
HEPA-Filter sind besonders feine Taschenfilter, die selbst feine Aerosole filtern können. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Steffen Jacobs baut hier einen neuen Filter in eine Klimaanlage ein.
FH Münster/Maxi Krähling

Der Fall Tönnies und die Klimaanlage – wegen der niedrigen Temperatur, einer geringen Frischluftzufuhr und einer konstanten Luftumwälzung in der Halle soll die Lüftungs- und Kühlungsanlage zur enormen Verbreitung des Coronavirus im Schlachtbetrieb beigetragen haben. Stellt sich die Frage, ob Raumlufttechnische-Anlagen (RLT-Anlagen) generell Virenschleudern sind.

von: Redaktion

„Nein, denn dank der modernen Filtertechnik lässt sich mittlerweile eine Luftqualität in geschlossenen Räumen herstellen, die frei von Bakterien und Viren ist. Der richtige Betrieb der Klimaanlage ist dabei natürlich vorauszusetzen“, sagt Prof. Dr. Bernd Boiting von der FH Münster, Experte für Raumluft- und Kältetechnik am Fachbereich Energie – Gebäude – Umwelt. Egal, welche Bauart zum Einsatz kommt, ob Klimaanlagen mit Frischluftzufuhr oder sogenannte Split-Geräte, die ausschließlich die Raumluft kühlen und umwälzen, es geht um die richtigen Filter und die richtige Luftfeuchtigkeit. „Wir setzen beim Sprechen, Lachen oder Singen immer feine Tröpfchen frei, durch die Coronaviren übertragen werden können. Ist die Luft feucht, sinken diese Tröpfchen schnell ab und stellen bei ausreichendem Abstand kaum eine Gefahr dar. Ist die Luft sehr trocken, entzieht sie den Tröpfchen die Feuchtigkeit. Sie werden kleiner und leichter und fliegen dementsprechend weiter“, erklärt Prof. Boiting. Gerade im Winter, wenn Raumluft häufig trocken und warm sei, stelle das in Bezug auf Bakterien und Viren ein erhöhtes Infektionsrisiko dar. Deshalb soll die relative Luftfeuchtigkeit in einem Raum zwischen 30 und 65 Prozent liegen – das regelt die Deutsche Industrie Norm DIN EN 15251. Also müssen Klimaanlagen nicht nur kühlen oder wärmen, sondern auch die Luftfeuchtigkeit regeln. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die richtigen Filter. Schwebstofffilter, sogenannte HEPA-Filter (Hocheffiziente Partikelfilter), sind ausreichend fein, um Partikel sowie Aerosole und die daran haftenden Coronaviren aus der Luft zu filtern. „Meines Erachtens reichen Feinstaubfilter der etwas niedrigeren Kategorie ISO ePM2,5 mit einer Minimal-Effizienz von 50 Prozent ebenfalls aus. Das bedeutet, dass mindestens 50 Prozent aller Feinstaubpartikel, die 2,5 Mikrometer oder größer sind, vom Filter abgeschieden werden müssen. Auf der absolut sicheren Seite ist man natürlich mit HEPA-Filtern“, sagt Prof. Boiting. Allerdings stellen diese Filter einen hohen Kostenfaktor dar. Aufgrund ihrer enormen Filterwirkung bringen sie zudem einen erheblichen Druckverlust mit sich, der den Energiebedarf der Ventilatoren ansteigen lässt.
„Wer diesen finanziellen Schritt nicht gehen will und eine Klimaanlage mit Frischluftzufuhr und Umluftfunktion betreibt, hat in Zeiten von Corona eine Möglichkeit: Man verzichtet auf die Umluft und erhöht den Frischluftanteil auf 100 Prozent. Damit verdünnt die RLT-Anlage die Virenkonzentration in ausreichendem Maße. Wer auf die Umluft nicht verzichten kann, muss einen Filter einbauen“, erklärt der Experte für Raumlufttechnik.
Moderne Klimaanlagen arbeiten so, dass sie Außenluft ansaugen, auf die entsprechende Temperatur herunterkühlen oder erwärmen und die Feuchtigkeit in einem Bereich zwischen 30 und 60 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit regeln. Anschließend wird die Luft in den Raum abgegeben. Die verbrauchte Luft wird als Abluft abgesaugt, gefiltert und ein Teil dessen als Umluft in den Zirkulationskreislauf zurückgeführt.
Im Gegensatz dazu stehen Split-Klimageräte. Sie bestehen aus einem Außengerät und einem Innengerät. Im Innengerät verdampft Kältemittel und entzieht im Umluftbetrieb dem Raum die sommerliche Wärme. Die wird an das Außengerät geleitet und dort abgegeben. „Wer ein Split-Gerät betreibt, hat nur die Möglichkeit einen entsprechenden Filter einzusetzen oder das Gerät ganz auszuschalten“, sagt Prof. Boiting. Zusätzlich kann man mittels Bestrahlung dem Coronavirus entgegentreten: „Dabei werden Leuchtstoffröhren mit ultraviolettem Licht in die Luftkanäle von Klimaanlagen eingebaut. Die Viren strömen an dem extrem kurzwelligen Licht vorbei, was ihr Erbgut schädigt. So können sie sich nicht mehr vermehren.“ Auch sonst tue sich einiges in der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) aufgrund der aktuellen Problematik. So wurden mobile Geräte für den Einsatz in Räumen entwickelt, die HEPA-Filter und Umluftventilatoren in einem Gerät kombinieren, um die Aerosole und damit die Viren aus der Raumluft zu fischen.
Unabhängig davon sieht Prof. Boiting für Deutschland keine Gefahr einer verstärkten Verbreitung des Coronavirus durch Klimaanlagen. Denn in Deutschland sei seit langem der Einsatz moderner Klimaanlagen Standard, die die vorgeschriebenen hohen Hygieneanforderungen erfüllen. „In den meisten modernen Gebäuden wie Supermärkten, Kinos und Bürogebäuden wird diese Art verbaut – auch in unseren Hörsälen etwa auf dem Campus Steinfurt. In anderen europäischen Ländern und im asiatischen Raum sind hauptsächlich Split-Klimageräte in Gebrauch. Da kann es bei der Virenverbreitung anders aussehen. Aber in Deutschland ist selbst die Wartung und Instandhaltung von Klimaanlagen durch Richtlinien vorgeschrieben. Wirklich problematische Klimaanlagen gehören deshalb der Vergangenheit an“, sagt Prof. Boiting.


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