In London nennt man den Installateur „the man in the white van“ und fürchtet sich vor ihm. Das liegt nicht an den weißen Lieferwägen, mit denen so viele von diesen Männern in der Stadt herumfahren, dass man sie sogar danach benennt. Sondern es liegt daran, dass sie meist nur bessere Pfuscher sind. Man weiß nie, ob der zur Hilfe gerufene Installateur sein Handwerk auch wirklich beherrscht oder ob er, wie es der Deutsche Moritz Volz in seinem Buch „Unser Mann in London“ beschreibt, das Problem eines tropfenden Heißwasserboilers dadurch löst, dass er einfach eine Salatschüssel unter die undichte Stelle schiebt. Für ein paar Tage ist Ruhe, nur dann ist die Schüssel voll und läuft über. Wodurch der Londoner erst recht wieder gezwungen ist, den nächsten weißen Lieferwagen zu rufen. Und ein Stoßgebet zu sprechen.
Der Installateur-indizierte Leidensdruck dürfte auf der anderen Seite des Kanals groß sein, da Volz diesem Thema ein ganzes Kapitel in seinem Buch widmet. Lustig auch die Geschichte, als er sich wegen des Installateurs beim Duschen verbrüht – aber lesen Sie selbst. Warum die Fachhandwerker auf der Insel einen so schlechten Ruf haben? Weil das englische Recht praktisch keine Zugangsbeschränkungen zum Gewerbe vorsieht und so gut wie jeder als „Plumber“ arbeiten kann, egal, welche Ausbildung er wirklich hat. Deshalb waren nach der Öffnung des Arbeitsmarktes die polnischen Handwerker so gefragt, weil diese – im Gegensatz zu ihren englischen Kollegen – wirklich in ihrem Beruf ausgebildet sind. Das entschärfte die Londoner Installateur-Krise für ein paar Jahre. Allerdings hat Polen die letzte Wirtschaftskrise gut überstanden und gilt als eine der Konjunkturlokomotiven in der EU. Daher umwirbt Polen seine nach Westeuropa verzogenen Handwerker recht erfolgreich, damit diese wieder nach Hause zurückkehren. Arbeit gibt es in Polen genug. Das hat zur Folge, dass die Londoner wieder auf die einheimischen „white-van-men“ angewiesen sind. Und auf die Wirksamkeit ihrer Stoßgebete ...
Moritz Volz ist übrigens gelernter Fußballer. Er war Ende der 90er einer der ersten Kontinentaleuropäer, der dem Ruf der englischen Fußballinternate folgte und mit 16 Jahren zu Arsenal London wechselte. Dort hat er elf Jahre gelebt, die Stadt lieben gelernt, sich als „lustiger Deutscher“ einen Namen gemacht und seine Erfahrungen nun in einem äußerst kurzweiligen Buch verarbeitet. Um Fußball geht es nur am Rande – keine Angst. Das Buch können auch Leute lesen, die vor der Tür ein „no soccer“-Schild hängen haben. Aber wenn wir schon beim Thema Fußball sind: Im Juni beginnt die nächste Europameisterschaft (in Polen!). England wird es wieder nicht schaffen. Deutschland auch nicht, fürchte ich. Spanien? Nein, leider nicht dreimal hintereinander. Ich hab ein ganz ganz schlechtes Gefühl und befürchte das Schlimmste: Italien.
Editorial 5_2012
Die Salatschüssel unter dem tropfenden Warmwasserboiler.
- ÖAG gegen die Gigantonomie
- Denkmalschutz oder Sanimeister