Eine aktuelle Broschüre des Sozialministeriums gibt Tipps zum barrierefreien Wohnen. Dabei wird auch ein Duschhocker empfohlen. Der wird als „flexible, bequeme und sichere“ Lösung angepriesen für all jene, die nicht mehr ganz so sicher auf den Beinen sind und im Bad oder speziell unter der Dusche eine Sitzgelegenheit benötigen. Das mag ja alles richtig sein. Nur wird der Text illustriert mit dem Foto einer jungen Frau, die sich gerade ein wohlgeformtes Bein komfortabel rasiert, indem sie es auf den Duschhocker stellt ...
Das Foto mag zwar dem Grafiker gefallen haben – und ich glaube, wir können davon ausgehen, dass es sich um einen Grafiker handelt und nicht um eine Grafikerin. Aber es geht eindeutig am Thema vorbei: Ein Mensch, der auf einem Bein in der nassen Dusche balancierend am anderen Bein mit einer scharfen Klinge hantiert, ohne zu stürzen, sich zu schneiden oder sich sonstwie zu verletzen, der braucht sich über Barrierefreiheit noch nicht wirklich viele Gedanken zu machen. Oder erst, wenn diese Person bei dem Balanceakt gestürzt ist und für ein paar Wochen Gips tragen muss.
Dieses etwas unpassende Foto ist kein Einzelfall. Mir kommen immer wieder Werbebilder für barrierefreie Sanitärprodukte unter, auf denen straffe jungmännliche Bizepsmuskeln oder schöne Frauenbeine in Stöckelschuhen als Blickfang dienen. Menschen, die darauf angewiesen sind, dass ihnen ein „Leben ohne Hindernisse“ (siehe den Schwerpunkt ab Seite 24) ermöglicht wird, sehen in der Regel nicht aus wie Fotomodels. Alte Menschen, Hilfsbedürftige, körperlich Beeinträchtigte oder Kinder benötigen barrierefreie Badgestaltung. Der 30-jährige Ö3-Hörer, der sich gerade für eine Partynacht zurecht macht, sicher nicht.
Vor ein paar Wochen hat es eine Baustoff-Firma aus Niederösterreich in die Medien geschafft, weil sie den ersten High-Heel-sicheren Parkplatz Österreichs eröffnet haben. Kurzfassung: Dort wurde anstelle der Absatz-mordenden Rasengittersteine der Parkplatz einfach zubetoniert und mit einem rosafarbenen Stöckelschuh-Verkehrszeichen versehen. Nun, das ist wohl eher ein kurzfristiger Gag und kein wirklich innovatives Produkt. Auch das formschöne Bad für die elegante Stöckelschuhträgerin bietet sicher nicht die ganz großen Geschäftsaussichten. Aber das barrierefreie Bad für möglichst langes, möglichst selbstständiges Leben in den eigenen vier Wänden – das ist für den Installateur eine der ganz großen Chancen für die Zukunft. Unsere Gesellschaft altert, der Bedarf wird schon alleine deshalb größer werden. Darauf sollten wir uns vorbereiten. Ideen, Beispiele und Produkte dafür finden Sie in
dieser Ausgabe ab Seite 24.
Editorial 5/2014
Barrierefreiheit für Stöckelschuhe?
- Editorial 5a/2014
- Frauenthal vor ÖAG-Übernahme